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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Dorfbewohner, kurz bevor die junge Frau verschwand.«
    »Auf dem Land ging es schon immer etwas konservativer zu. Aber man sollte niemanden verteufeln.« Neumann riß keine Witze mehr. Neumann war wachsam. Neumann wurde vorsichtig.
    »Ich habe mal die anderen beiden der jungen Leute abgeklärt. Der Mann, Charles genannt, hieß Karl-Heinz Neumann.«
    »Ich kenne den Namen«, sagte Dr. D. und lachte, wenn auch diesmal leiser. »Und wie ich eingangs schon sagte …«
    DeLange wiegte den Kopf. »Es kommt noch schöner. Er hat den gleichen Geburtstag wie Sie.«
    »Ein Skorpion. Der arme Kerl.« Neumann lächelte noch immer. Aber er schien plötzlich nicht mehr zu wissen, was er mit seinen Händen machen sollte.
    »Außerdem ist er im selben südhessischen Dorf geboren.«
    »In Goddelau? Kann nicht sein. Das wüßte ich.« Neumann schüttelte den Kopf. »DeLange, wollen Sie mich verarschen?«
    Der Konferenzraum füllte sich. Wenn alle mit Getränken versorgt waren, ging es los. Also Beeilung, DeLange.
    »Die verschwundene Frau heißt Alexandra Raabe. Sagt Ihnen der Name etwas?«
    Jetzt hatte Neumann das gewisse Flackern im Blick. DeLange kannte das.
    »Alexandra Raabe … Ach – Sie meinen Sascha! Natürlich. Jetzt erinnere ich mich. Eine furchtbare Geschichte.« Dr. Karl-Heinz Neumann-v. Braun war plötzlich ganz Betroffenheit.
    »Also Sie waren – Charles?« fragte DeLange sanft.
    Neumann-v. Braun lächelte verlegen. »Natürlich. Wie konnte ich nur. Die Siedlung. Saschas Verschwinden. Ich habe das, glaube ich, verdrängt. Wir waren jung und ein bißchen verrückt. Das reichte damals schon, um sich unbeliebt zu machen. Aber wer konnte das tragische Ende vorhersehen?«
    Für einen Moment bewunderte DeLange Charles Neumann, der nicht wie einige andere seiner Generation im Drogenrausch untergegangen war oder, auch nicht besser, im bewaffneten Kampf. Charles war zwar bürgerlich geworden und hatte nach einem abgeschlossenen Jurastudium und der Heirat mit Margot v. Braun seinen Namen in Dr. Karl-Heinz Neumann-v. Braun verbessert. Aber trotz seiner Parteikarriere redete er sich nicht heraus, wie sie das normalerweise alle machten, die in ihrer Jugend etwas getan hatten, was sich mit ihrem späteren Leben als anständiger Würdenträger nicht vertrug.
    »Die Polizei hat damals ziemlich schlampig ermittelt. Bei Hippies, die sich mit Drogen zudröhnten, nahm man’s nicht so genau. Aber Sie haben sicher gar keine Drogen genommen, oder?« DeLange, scheinheilig. Der Mann würde unter Garantie die große Verleugnungsarie anstimmen.
    »Wo denken Sie hin, DeLange!« Neumann lachte mit weit aufgerissenem Mund, so daß seine schlaffen Wangen Falten schlugen. »Wir haben gekifft wie die Weltmeister. Und LSD genommen und bei Mondlicht auf Waldlichtungen herumgestanden. Wir hätten wahrscheinlich auch gekokst, wenn das damals schon Mode gewesen wäre. Was dem Spießer sein Bier, war für unsereins der Joint.« Er beugte sich vor und starrte DeLange an. »Ich ziehe heute Rotwein vor, DeLange, aber Sie werden mich nicht dabei erwischen, daß ich meine Vergangenheit leugne.«
    DeLange nickte. »Ich denke an die Dorfbevölkerung, Herr Neumann-v. Braun. Meinen Sie nicht, daß das alles damals ein bißchen zuviel auf einmal war? Haschischwolken und freie Liebe? Ein Mann, zwei Frauen?«
    »Vergessen Sie nicht lange Haare, exzentrische Kleidung, laute Musik und sehr, sehr seltsame nächtliche Riten.« Neumann erwärmte sich sichtlich für seine wilde Jugend. »Nein, das fanden unsere Nachbarn in der Tat nicht amüsant. Manchmal denke ich, wir haben einander viel zuviel zugemutet.« Neumann senkte die Stimme.
    DeLange war überrascht. Hatte der Mann im Laufe der Jahre so etwas wie Mitgefühl für die Spießer von damals entwickelt? Aber Neumann hatte sich schnell wieder im Griff.
    »Doch das entschuldigt nichts, Herr DeLange« – schmaler Mund, schmale Augen –, »das entschuldigt nicht, was damals geschah. Man hat uns nachgestellt, man hat uns verfolgt, und man hat uns schließlich vertrieben. Manchmal denke ich noch immer, Alexandra ist am Starrsinn dieser Leute gestorben.«
    Interessant. Der Mann war Anwalt. Und sprach dennoch vom Tod einer bislang lediglich vermißten Person. DeLange beugte sich vor.
    »Nun, Herr Dr. Neumann-v. Braun, wir wissen nicht, ob Alexandra Raabe überhaupt gestorben ist, geschweige denn, woran.«
    »Sicher. Natürlich. Gar nichts wissen wir. Sie war eine so wunderschöne Frau.«
    DeLange bewunderte die

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