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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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anschließend für den nächsten Ernstfall vorbereitet würden. Wenn überhaupt, dann hätte Paul bei diesen drei Exemplaren eine Chance, den Defibrillator aufzuspüren, der am Abend der Christkindlesmarkteröffnung eingesetzt worden war. Paul drückte dem jungen Mann sicherheitshalber noch einen Zehn-Euro-Schein in die Hand. Dann war er allein.
    Die Defibrillatoren waren mit kleinen Zetteln versehen, die mit Plastikschlaufen an den Griffen befestigt waren. Darauf hatten die Sanitäter den Einsatztag und -ort vermerkt. Schon beim zweiten Apparat hatte Paul Erfolg. Er nahm das Gerät aus dem Koffer und stellte es auf einen halbhohen Tisch in einer Ecke des ansonsten einrichtungslosen Raums.
    Das Aufzeichnungsgerät im Defibrillator funktionierte wie jedes andere Bandgerät auch. Misstrauisch blickte er sich nach allein Seiten um, doch er war tatsächlich unbeobachtet, als er die Starttaste drückte.
    Zunächst war ein hoher Piepton zu hören, dann ein verrauschtes Zischen. Nach einigen Schaltgeräuschen hörte er dumpfes Gemurmel. Vielleicht das Gespräch zwischen Rettungssanitätern und Notarzt. Ungeduldig fixierte er das Gerät. Das Rauschen und unverständliche Murmeln setzte sich unendliche zwei Minuten fort.
    Dann plötzlich war eine Stimme zu hören. Sie klang sehr nahe, als hätte sich das Mikrofon zum Zeitpunkt der Aufnahme direkt neben dem Mund des Sprechenden befunden: »Ich … oh, mein …«
    Paul traf es wie der Blitz. Er erkannte Densdorfs Stimme. Es schloss sich ein qualvolles Röcheln an. Die entscheidenden Passagen wurden betonungslos und leise vorgebracht: »… Dürer«, kam es laut und dann deutlich leiser: »… Dürerhaus … Ich habe … Es war kein Unfall … Lasst sie …« Ein langes Husten schloss sich an. »Lasst sie nicht damit durchkommen.« Dann folgte nur noch ein schwerer Atemzug.
    Den Rest der Bandaufzeichnung machten ärztliche Anweisungen und Zwischenrufe der Polizisten aus.
    Mit zitternden Händen betätigte Paul die Taste und ließ das Band zurücklaufen. Er hörte es abermals ab. Diesmal machte er sich Notizen auf einem kleinen Block, den er zu Hause eingesteckt hatte.
    Als er das Band ein drittes Mal abhören wollte, sah er den Wuschelkopf des Zivildienstleistenden neugierig durch die Tür spitzen. Paul packte den Defibrillator in seine Hülle zurück und verstaute ihn in der Ecke neben den anderen Koffern.
    Er ging auf den Zivi zu, sah ihm direkt in die sommersprossenumrahmten Augen und nickte ihm zum Abschied zu. Die auffordernd offen gehaltene rechte Hand des jungen Mannes übersah er dabei geflissentlich.
    Paul war daran gelegen, das Gebäude schnellstens zu verlassen. Als er wieder in sein Auto stieg, war er um eine Gewissheit reicher – und tiefer verstrickt in eine Angelegenheit, die ihn nichts anging. Er hatte sich weit aus dem Fenster gelehnt, doch alles war glatt gelaufen. Er musste zugeben, dass ihm diese Art des Nervenkitzels zu gefallen begann.
    Paul fuhr den Altstadtring entlang, ohne dabei besonders auf den Verkehr zu achten. Er ließ den Hauptbahnhof links liegen, passierte die Oper und hätte nun rechts einbiegen müssen, um zu Blohfelds Redaktion zu gelangen. Stattdessen blieb er auf dem Ring und fuhr die Anhöhe zur Kaiserburg hinauf. Er hatte noch keine Lust, dem unberechenbaren Reporter gegenüberzutreten.
    Paul steuerte seinen Wagen durchs Neutor und manövrierte ihn über das vereiste Kopfsteinpflaster bis zum Weinmarkt.
    »Es war kein Unfall …«, hatte Densdorf gesagt. Was war kein Unfall? Sein Sturz in die Pegnitz? Aber in welchem Zusammenhang stand dann die Erwähnung des Dürerhauses? Hatte Densdorf womöglich andeuten wollen, dass der Tod des Handwerkers im Dürerhaus kein Unfall gewesen war? Aber selbst wenn es so wäre – was hatte Densdorf damit zu tun?
    Er stapfte in seinen schweren Winterstiefeln die Treppen bis zu seiner Wohnung hinauf. Er schälte sich – tief in Gedanken – aus seinem Mantel, streifte die Stiefel ab und ließ sie achtlos auf dem Flurboden liegen.
    Im Trockenschrank in der Dunkelkammer hingen immer noch einige Negativstreifen. Eben die mit den Aufnahmen, die er unmittelbar nach Densdorfs Sturz am Tatort gemacht hatte. Paul hatte sie bislang vernachlässigt und hielt sie auch jetzt noch nicht für besonders wichtig.
    Doch als er wenig später wieder in dem engen Raum stand, dessen Wände Chemikalien aller Art ausdünsteten, beschlich Paul ein seltsames Gefühl. Als er seinen Vergrößerungsapparat einschaltete und begann,

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