Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
verneinte. Genau an dieser Stelle sollte Paul ins Spiel kommen: »Als Polizeireporter, der mit den Bullen noch einige Jahre klarkommen muss, kann ich es mir nicht leisten, das Gerät selbst abzuhören. Das wäre Unterschlagung von Beweismitteln und könnte mich meinen Job kosten.«
»Ich würde mich nicht weniger strafbar machen«, hob Paul an.
»Mit dem feinen Unterschied, dass es von Ihnen niemand erwarten und Sie deshalb auch niemand verdächtigen würde. Von wem ich die Informationen letztlich bekommen habe, wird die Polizei im Übrigen nie erfahren. Das Presserecht schützt meine Informanten vor Offenlegung der Namen.«
»Ich nehme an, Sie haben bereits einen konkreten Plan?«, fragte Paul.
Blohfelds Plan bestand – wie Paul zweifelnd vernahm – aus einem Hundert-Euro-Schein. Den sollte Paul einem Zivildienstleistenden in die Hand drücken, der bei den Rettungssanitätern des Roten Kreuzes beschäftigt war und ihm Zugang zu den Defibrillatoren gewähren sollte.
»So einfach stellen Sie sich das vor?«, fragte Paul, und ihm wurde flau im Magen.
»Die einfachsten Wege sind die schnellsten und sichersten«, versicherte ihm der Reporter. »Glauben Sie mir, bei hundert Euro wird jeder Zivi schwach.«
Paul bezweifelte das. Andererseits war er geneigt, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Denn die Neugierde ließ ihm kaum noch Ruhe.
»Haben Sie eine Adresse für mich?«, nahm er den Auftrag nach kurzem Zögern an.
»Selbstverständlich«, sagte Blohfeld.
Paul befreite seinen Wagen mit einem Kehrbesen vom gröbsten Schnee. Den Rest musste der Scheibenwischer besorgen.
Was mache ich hier eigentlich?, fragte er sich, während er in Richtung Rathenauplatz fuhr und dann in die Sulzbacher Straße abbog. Was trieb ihn dazu, diesen nächsten Schritt zu gehen? Er hatte Densdorf doch nicht einmal persönlich gekannt. Warum also bewegte ihn sein Tod so sehr?
Paul parkte sein Auto im Hof der Rotkreuzzentrale zwischen einer ganzen Armada beiger Rettungsfahrzeuge. Zwei Sanitäter gingen an seinem Renault vorbei, ohne ihn zu beachten. Dann passierte ein Mann in Monteurskleidung den Innenhof und verschwand hinter einer Tür im Seitentrakt.
Paul fühlte sich beobachtet, doch vermutlich war es nur sein Unrechtsbewusstsein, das ihm dieses Gefühl vorgaukelte. Denn auch der nächste Passant, offenbar ein Sanitäter, der zum Schichtwechsel eintraf, ging achtlos an ihm vorbei.
Paul atmete dreimal tief durch und gab sich dann einen Ruck. Er stieg aus und beschloss, zielgerichtet seinen Plan zu verfolgen. Dieser bestand zunächst einmal darin, einen bereitwilligen und möglichst arglosen Zivildienstleistenden aufzuspüren.
Er musste nicht lange suchen: Neben einem Sanitätsfahrzeug standen zwei junge Kerle, die damit beschäftigt waren, den Wagen ans Stromnetz anzuschließen und verbrauchtes Verbandsmaterial nachzufüllen. Paul beobachtete sie, entschied sich aber dagegen sie anzusprechen. Zwei Mitwisser waren einer zu viel!
Paul stand lange unschlüssig herum. Er befürchtete schon, sich verdächtig zu machen, denn die beiden Zivis schielten jetzt misstrauisch zu ihm herüber.
Er betrat das Gebäude und ging ohne konkretes Ziel durch die schlichten Gänge des betagten Zweckbaus. Er begegnete einigen wenigen, meist jungen, weiß gekleideten Leuten. An Zivildienstleistenden herrschte also – ganz wie es Blohfeld prophezeit hatte – tatsächlich kein Mangel. Allein die Courage fehlte, um irgendjemanden anzusprechen.
Als ihm ein dünner junger Mann mit Kraushaar und gutmütigen Augen entgegenkam, entschloss sich Paul spontan zum Handeln. Und tatsächlich hatte er mit den hundert Euro und einem Päckchen Tabak das überzeugende Argument dafür parat, zu den Defibrillatoren geführt zu werden. Paul folgte dem jungen Mann – selbst überrascht darüber, dass es offenbar klappte, was ihm im Gespräch mit Blohfeld noch unrealistisch erschienen war. Unterwegs erfuhr Paul manches über die Ärzte und Schwestern der Krankenhäuser, die von den Zivis »beliefert« wurden, und die Art, wie sie mit Zivis umsprangen.
Nach erstaunlich kurzer Zeit war Paul am Ziel: Der Zivi führte ihn in einen Raum, in dem es aussah wie in einem unaufgeräumten Kinderzimmer. Überall lagen Einzelteile aus medizinischen Ersthelfersets wild verstreut herum. In einer Ecke erkannte Paul drei handliche Koffer in der typischen Größe von Defibrillatoren.
Der Zivi deutete an, dass in diesem Raum die Geräte nach ihrem Einsatz gelagert, geprüft und
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