Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Namensvetterin, hat sich auch fotografieren lassen. Halb nackt und so, Sie wissen schon. Sie hat danach einen Hunderttausend-Euro-Werbevertrag bekommen! Was meinen Sie, was erst für ein nacktes Christkind rausspringt!«
Paul klemmte sich den Wälzer unter den Arm und ging zurück zum Sofa. »Vergiss es. Jeder anständige Nürnberger würde mich dafür lynchen.«
Hannah, in knallengen Jeans und ultrakurzem Kuscheljäckchen ganz forscher Teenie, heftete sich an seine Fersen und startete einen etwas unbeholfenen Versuch, sich bei Paul beliebt zu machen: »Hey, wow, Sie haben ja jede Menge Dürer-Bücher!«
»Ich mache keine Aktfotos von Ihnen!«
»Von dir.«
»Was?«
»Du darfst mich gern weiter duzen.«
»Du mich aber nicht«, begehrte Paul ein letztes Mal auf.
»Es sollen ja keine, äh, obszönen Fotos sein«, erklärte ihm das Mädchen. »Aber warum soll ich auf diese Werbeverträge verzichten? Die bringen mir richtig Kohle.«
Er versuchte, sich in die junge Frau hineinzuversetzen: Hannah musste sich ihre eigenen Gedanken machen und sich fragen, warum dieser Flemming so verkrampft auf sie reagierte. Sie musste sich fragen, ob er mit seinen knapp vierzig Jahren Angst davor hatte, von einem Teenager angemacht zu werden. Wahrscheinlich lachte sie still in sich hinein.
Hannah biss sich auf die äußeren Enden ihrer flauschigen Handschuhe, die sie noch in den Händen hielt. So, als würden sie plötzlich Selbstzweifel plagen. Dann aber legte sie los: »Sie sehen eigentlich gar nicht aus wie ein gehemmter Typ. Was stellen Sie sich wegen ein paar harmloser Akte so an? Sonst sind Sie doch auch nicht prüde: Diese rassige Schwarze in Ihrem Flur durfte ja auch für Sie Modell stehen, und Sie haben sicher noch schärfere Aufnahmen herumliegen, oder?« Sie grinste ihn keck an. »Okay, ich werde Geduld mit Ihnen haben. Erstens, weil Sie trotz allem ein sympathischer Typ sind. Und zweitens machen Sie wirklich gute Fotos. Ich habe also gar keine andere Wahl.«
»Komm«, sagte er einer plötzlichen Laune entspringend und nahm seinen Mantel vom Haken. »Ich habe noch nichts gegessen. Du kannst mich begleiten, wenn du magst.«
Hannah willigte ein, und Paul führte sie ins Café Sebald, eine feine Adresse, für die sie nur den Platz zu überqueren brauchten. Gedämpftes Licht, dezent eingespielte Musik und das vornehm leise Klirren von Besteck empfingen die beiden, als sie das Café mit angeschlossenem Restaurant betraten. Paul hatte schon öfter vorgehabt, sich mal wieder unter die Schickeria zu begeben und sich ein Essen und den ein oder anderen Drink im Sebald zu gönnen. Mit der jungen, prominenten Begleiterin an seiner Seite hatte er nun den passenden Anlass gefunden.
Eine Kellnerin mit strahlend weißer Bluse und ebensolchen Zähnen nickte ihnen zu und wies auf einige wenige freie Plätze an der Bar. Die anderen Gäste, zumeist in Gespräche vertieft, waren durch die Bank sehr gut gekleidet – für Pauls Geschmack vielleicht sogar ein wenig zu gut. Die edle Einrichtung des Lokals mit viel dunklem Holz und auf Hochglanz polierten Zapfanlagen erinnerte ihn daran, dass es kein billiger Abend werden würde.
Sie standen noch immer in der Eingangstür. »Meinen Sie, dass wir hier wirklich etwas zum Sattwerden bekommen?«, fragte Hannah zweifelnd und legte die Stirn in Falten.
Paul dirigierte sie direkt an die hohe, ebenfalls edel gestylte Bar. »Wie wäre es mit Sateespießchen?«, fragte er und schob für sie einen Hocker zurück.
»Pommes mit Currywurst wären mir lieber«, sagte Hannah und bedachte den Barkeeper mit einem nicht gerade freundlichen Blick.
Paul zollte dem vorlauten Christkind erstmals Respekt. »Ich dachte, Ihr Teenies steht auf so was«, sagte er.
»Auf was genau?«, fragte sie.
»Auf wenig Essen für viel Geld«, antwortete er schmunzelnd.
Hannah sah ihn nachdenklich an. »Sie dachten, dass ich diesen Schuppen hier cool finde, ja? Wenn Sie wirklich mal vorhaben, eine Neunzehnjährige abzuschleppen, versuchen Sie es lieber mit einem echt abgefahrenen Laden in Gostenhof.« Sie schob ihren Hocker zurück. »Kommen Sie«, sagte sie und nahm Paul an die Hand.
Erstaunt, aber nicht verärgert über ihre schroffe Art, ließ er sich von dem Mädchen durch den Schnee führen. Sie mussten nicht weit gehen, bis sie zu einem Dönerimbiss kamen, aus dem ihnen eine Wolke warmer, knoblauchgeschwängerter Luft entgegenblies.
Hannah bestellte einen Döner »mit alles« und eine Cola. Keine Diätcola. Und auch
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