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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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Lehrmeisters Hieronymus Holper, und zeugte Sohn Albrecht. Der wurde als drittes von achtzehn Kindern geboren, von denen freilich fünfzehn im Kindesalter starben. Dürer der Ältere wollte den Filius natürlich auch zum Goldschmied machen, doch Albrecht hatte Flausen im Kopf. Schon als junger Bengel ein Aufrührer, der mit Konventionen brach.
    Paul lächelte bei dem Gedanken an den Zoff, den es daheim bei den Dürers gegeben haben musste.
    Mit fünfzehn lag der Ehrgeizige seinem Vater so lange in den Ohren, bis der ihn 1486 dem Maler Michael Wolgemut anvertraute. 1490 begab sich Dürer auf Wanderschaft. Basel, Colmar, dann Straßburg. Nach vier Jahren kam er zurück und heiratete seine Agnes, knackige neunzehn Jahre jung und mit Männern völlig unerfahren. Für Dürer eine gute Partie, denn Agnes’ Vater saß im Großen Rat und hatte einflussreiche Freunde, die ihm bald satte Aufträge bescheren sollten. Außerdem gab es eine Mitgift von zweihundert Gulden.
    Paul las schmunzelnd weiter, stutzte dann jedoch: Laut Biografie verließ Dürer seine junge Ehefrau schon nach wenigen Monaten, um nach Venedig zu reisen. Der erste von zwei langen Ausflügen. Vordergründig, weil er der Pest entkommen wollte, die in diesen Jahren jeden vierten Nürnberger Einwohner dahinraffte.
    Aber warum ließ er dann seine Frau zurück? Hatte diese Erlanger Forscherin tatsächlich Recht, benötigte Dürer seine Frau also als Statthalterin, um seine Auftragsmalerei am Laufen und die namenlosen Maler bis zu seiner Rückkehr bei der Stange zu halten? Das würde vieles erklären und wäre Wasser auf die Mühlen derjenigen, die inzwischen an der Urheberschaft Dürers an seinen bedeutendsten Werken zweifelten.
    Oder gab es einen viel trivialeren Grund? War die Reise von langer Hand geplant, also eine Flucht aus dem Ehekäfig? Paul blätterte zurück: Dürer war damals dreiundzwanzig. Das Geld, das er in Italien ausgab, stammte ausnahmslos von seiner Frau, denn er war seinerzeit noch nicht vermögend. Tobte er sich auf Kosten von Agnes aus? Nachdenklich blätterte Paul einige Seiten weiter und blieb bei dem Porträt einer jungen Frau mit gelocktem rötlichem Haar und entschiedenen dunklen Augen hängen. Die Junge Venezianerin, wie die Bildunterschrift mitteilte. Dürer hatte die unbekannte Schönheit mehrere Male Modell sitzen lassen. Ihr Blick verströmte vertraute Unbekümmertheit. Eine Freundin? Gespielin? Paul suchte erfolglos nach weiteren Hinweisen, doch die Informationen, die er aus diesem Buch ziehen konnte, waren weitgehend ausgeschöpft.
    »Die 1498 herausgebrachte Folge der Apokalypse begründete seinen Ruhm. Anfangs von Conrad Celtis geprägt, wurde nach dessen Tod der Humanist Willibald Pirckheimer zum einflussreichsten Freund …«
    Das Läuten der Türklingel holte Paul schließlich aus der Welt des längst Verstorbenen. Er öffnete noch mit dem Buch unter dem Arm und blickte in das breite Grinsen des Nürnberger Christkinds.
    Das Mädchen drehte den Kopf, um den Buchtitel lesen zu können. »Dürer. Hm. Stimmt es eigentlich, dass er in Wahrheit schwul war?«
    Paul konnte gerade noch verhindern, dass ihm der schwere Band aus den Händen glitt.
    »Sorry, Herr Flemming«, sagte das Christkind, das sich dem völlig perplexen Paul jetzt ganz offiziell als Hannah vorstellte.
    »Ich kenne mich ein bisschen aus. Bin aufs Albrecht-Dürer-Gymnasium gegangen. Da nimmt man ihn durch, den Dürer, und zwar nicht nur ein Mal. Die Lehrer sagen, dass er schwul war. Hat was mit dem Pirckheimer gehabt.«
    Paul hatte im ersten Moment Schwierigkeiten, dem Mädchen Kontra zu geben, so wenig hatte er mit ihrem Auftauchen gerechnet. »Er war mit Agnes Dürer verheiratet. Soviel ich weiß, viele glückliche Jahre lang. Keine Ahnung, ob er bisexuelle Neigungen hatte. Seine Werke sind Weltklasse, und der Rest ist reichlich egal.« Eigentlich war ihm wirklich egal, ob Dürer schwul gewesen war. Aber warum verteidigte er ihn dann gegen diesen »Vorwurf«?, fragte sich Paul im Stillen.
    Hannah hob unschlüssig die Schultern. »Ich stehe nicht auf ihn. Typen, die sich die Haare bis zu den Schultern runterhängen lassen und dann noch Löckchen reindrehen, sind nicht mein Ding.«
    »Vor fünfhundert Jahren gab es andere Modetrends als heute«, sagte Paul und studierte mehr belustigt als verärgert die blassblauen Augen seines Gegenübers.
    »Mein Fall war der Typ jedenfalls nicht«, betonte Hannah und wechselte flugs in die Gegenwart: »Diese Schwimmerin, meine

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