Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
würde, zuzugeben, dass er furchtbare Angst gehabt hatte, und war nun erst recht erleichtert darüber, einer alten Schulfreundin anstelle irgendeines anonymen Kripobeamten gegenüberzusitzen.
Er hatte das Gefühl Katinka vertrauen zu können und hatte das Bedürfnis, ihr von einem Verdacht zu erzählen: »Ich glaube, dass die Einbrüche in Zusammenhang mit den beiden Todesfällen stehen.«
»Aber warum?«
Ihre Frage war berechtigt, dachte Paul und hatte keine schlüssige Antwort parat. Außer der wenig greifbaren, dass er das zwingende Gefühl hatte, dass es so war.
Katinka stützte das Kinn auf ihre verschränkten Hände und blickte ihn aufmerksam an. »Die einzige sinnvolle Erklärung für deine Vermutung wäre die, dass der Einbrecher hinter den Fotos vom Christkindlesmarkt her war. Aber die sind ja offenbar nicht geklaut worden, oder?«
»Nein, nein«, beeilte sich Paul zu sagen, doch im gleichen Moment wurde ihm klar, dass er noch gar nicht nachgesehen hatte, ob seine Bilder immer noch in der Fototasche steckten, die er in der kleinen Truhe im Flur verstaut hatte.
»Warum hast du sie mir eigentlich immer noch nicht gebracht?«, fragte Katinka. »Zeigen sie denn außer deinem ominösen Schattenphantom überhaupt etwas Wesentliches?«
»Nein, nein«, sagte er abermals.
»Na also«, Katinka lächelte mild. »Wenn du mich fragst, sprechen die gestohlenen Gegenstände für einen Gelegenheitsdieb. Einem, der beim zweiten Versuch wahrscheinlich mehr Beute machen wollte und nicht mit deiner Anwesenheit gerechnet hatte.«
Paul versuchte sich einzureden, dass Katinka wohl Recht hatte. Um sich selbst abzulenken und aus wieder erwachender Neugierde brachte er das Thema ihres letzten Gesprächs zur Sprache: »Verrätst du mir heute etwas mehr über deine große Entdeckung: die Haare und Fasern?«
Katinka zögerte. »Mein lieber Paul, nicht nur für Ärzte gilt die Schweigepflicht.«
»Aber ich bin doch quasi … auch ein Betroffener«, sagte Paul bittend.
Katinka verdrehte die Augen. »Eigentlich dürfte ich dir das wirklich nicht erzählen, und auf keinen Fall darfst du es deinem Journalistenfreund Blohfeld gegenüber erwähnen.« Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Wir haben bei Densdorf etwas gefunden, das uns stutzig gemacht hat«, sagte sie. »Kunstseidefasern, die sehr feine, aber charakteristische Pigmentpartikel enthielten.«
Rede nicht drum herum, dachte Paul, hielt aber diplomatisch den Mund.
»Dem Stoff nach zu urteilen scheinen die Fasern aus dem Mantel einer Frau zu stammen, der vermutlich dem hochwertigen Segment zuzuordnen ist.«
»Seiner eigenen womöglich?«, blieb Paul vorsichtig.
Sie schüttelte den Kopf. »Seine Frau kommt kaum in Frage. Die beiden traten fast nie gemeinsam in der Öffentlichkeit auf.«
»Aber du sagtest auch etwas über Haare. Sind sie zuzuordnen?«
»Das menschliche Haar besitzt eine ausgeprägte Struktur, die man mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops erkennen kann. Wir haben eine energiedispersive Röntgenfluoreszenz durchgeführt.«
»Eine was?«
»Wir haben geprüft, ob die Haare von Männlein oder Weiblein stammen.«
»Und?« Paul konnte seine Neugierde kaum unterdrücken.
»Weiblein. Aber das sagt ebenfalls noch wenig aus. Mag sein, dass der Tote kurz vor seinem Ableben ein Date mit einer Edelhure gehabt hatte.«
»Oder eben doch mit seiner eigenen Frau«, entgegnete Paul nachdenklich und rief sich seine Eindrücke der verwirrten und gekränkten Frau Densdorf in Erinnerung.
»Um ganz sicherzugehen, müsste ich weitere Untersuchungen anordnen. Aber das kommt uns viel zu teuer. Immerhin – wir haben Keratin, ein faserartiges Protein, das Horngewebe wie zum Beispiel Fingernägel bildet. Es steckte in seiner Haut.«
»Es ist also zum Kampf gekommen«, folgerte Paul und dachte an das Foto, das Densdorf mit erhobener Faust vor der Unbekannten zeigte.
»Möglicherweise. Oder zu einem heftigen Liebesakt.«
Paul merkte, wie nun Katinka unruhig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte. »Auch an der Leiche des Schreinermeisters haben wir auf der Hautoberfläche der Hände Keratin gesichert, das nicht von ihm stammt. Und nun das Beste: Es ist identischen Ursprungs wie die Spuren an Densdorfs Leiche!«
Auch Paul wurde nun von einer zunehmenden Unruhe erfasst. »Du willst behaupten, die Spuren stammen von ein und derselben Person? Beide Männer hatten also Kontakt zu derselben Frau?«
Katinka nickte langsam und sah ihn bestimmt an.
»Ließ sich das Keratin
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