Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
blieben ihm verschlossen. Er fragte sich, wie weit diese Frau gehen würde, um ihre Überzeugungen durchzusetzen. Er ließ einen Testballon steigen: »Einen Kritiker sind Sie mit Densdorf ja los geworden.«
Die Karczenko zog ihre Brauen zusammen. »Densdorf war nie ein ernst zu nehmender Kontrahent für mich. Der Mann tat mir Leid.« Sie trat einen Schritt näher an ihn heran. »Ich denke, unser Gespräch ist damit beendet.«
»Danke. Trotzdem«, sagte Paul und wandte sich zum Gehen.
»Nur noch eines«, sagte er dann.
»Ja?«, fragte die Karczenko verwundert.
»Was hat Picasso eigentlich geantwortet, als man ihn mit der angeblichen Fälschung vorgeführt hatte?«
Die Karczenko grinste ihn an. »Er soll geantwortet haben, dass er Picasso-Gemälde schließlich genauso gut fälschen könnte wie jeder andere.«
Noch vom Auto aus rief er Blohfeld an und informierte ihn stichwortartig über sein Gespräch mit der Karczenko.
»Insgesamt«, sagte Paul zusammenfassend, während er mit seinem Renault um eine vereiste Kurve bog und das Handy krampfhaft unters Kinn gekeilt hatte, »macht die Karczenko einen sehr verdächtigen Eindruck.«
»Verdächtig«, wiederholte Blohfeld wenig überzeugt. Dann sagte er, dass er sich Pauls Vortrag noch einmal ganz in Ruhe und nicht übers Handy anhören müsste, um sich ein Urteil bilden zu können. Er schlug vor, sich – um Zeit zu sparen – direkt mit Katinka Blohm zu treffen.
»Ich weiß nicht, ob das so klug ist«, sagte Paul. Er musste an einer roten Ampel bremsen, schlitterte aber einen guten Meter über die Haltelinie hinaus. Der Fahrer eines von rechts kommenden Wagens hupte ihn wütend an. »Wie Sie wissen, ist sie eine alte Bekannte von mir, und ich bin gerade dabei, wieder so etwas wie ein Vertrauensverhältnis zu ihr aufzubauen.«
»Dabei werde ich Sie bestimmt nicht stören«, blieb Blohfeld beharrlich.
Von wegen, dachte Paul bitter und machte einen letzten Versuch: »Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Katinka Sie sehen möchte.«
»Ich verlasse mich auf das ›eigentlich‹«, sagte der Reporter unbeirrt. »Wenn Sie mich eigentlich nicht sehen will, macht sie bei dem, was wir ihr zu sagen haben, mit Sicherheit eine Ausnahme.«
Paul konnte schwer einschätzen, wie Katinka reagieren würde. Doch ihm bleib nichts anderes übrig als dem Dreiergipfel zuzustimmen. Sie verabredeten sich für den nächsten Vormittag.
13
Etwas nervös, aber voller Tatendrang verließ Paul am nächsten Morgen seine Wohnung, um Blohfeld zum verabredeten Besuch bei Katinka Blohm zu treffen. Die eisige Schneelandschaft begrüßte ihn in malerischer Schönheit, aber er nahm die Zuckergussensembles auf den Hausdächern, Laternen und Parkuhren nur flüchtig wahr, als er sich auf den schnellsten Weg zum Treffpunkt machte.
Blohfeld wartete bereits, ungeduldig mit dem rechten Fuß wippend, vor der U-Bahn-Station. Er hatte den Kragen seines Trenchcoats hoch geschlagen und sah aus wie die zu klein und zu schmal geratene Version eines Mafioso.
Paul brannte darauf, ihm ausführlich von seinem Gespräch mit der Karczenko zu berichten. Tatsächlich hörte der Reporter aufmerksam zu, als sie die Rolltreppe ins Untergeschoss des U-Bahn-Verteilers nahmen und dabei mit knappen Gesten Absagen an Verkäufer von Obdachlosenmagazinen und illuminierten Nikolausmützen vergaben.
»Soso, eine Kunsthistorikerin verdirbt den angestammten Kunstmarkt und verprellt die Touristen, macht sich so den Tourismuschef zum Feind und stößt ihn am Ende in die Pegnitz. Ein wenig abenteuerlich, nicht wahr?«, fragte Blohfeld schließlich.
»Es bringt uns außerdem leider nicht weiter.« Er griff in seine Jackentasche und zog sein speckiges Notizbuch hervor. »Wenn ich alle Fakten, die wir bislang haben, mit einbeziehe, müsste die Karczenko das Mordopfer sein und nicht die Täterin.«
Vielleicht wollte sie ihrem Mörder ja zuvorkommen, dachte Paul und starrte nachdenklich auf die Kaugummiflecken am Boden des U-Bahn-Waggons. Er gab sich dem monotonen Rhythmus des im Gleis schaukelnden Zugs hin, während er seinen Gedanken freien Lauf ließ. Egal, welche Rolle die Karczenko in dieser Angelegenheit spielte, so blieb der Zusammenhang zwischen den Todesfällen und dem Namen Dürer unzweifelhaft bestehen. Er dachte wieder an die Satzfetzen, die er vom Defibrillator abgehört hatte. Die abgehackten Worte ließen viel interpretatorischen Spielraum. Immerhin wusste er, dass Densdorf nicht nur Dürer, sondern
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