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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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nahm gleichzeitig sein Plan konkretere Formen an, sich selbst weiter um die Aufklärung der Fälle zu bemühen – die Witwengeschichte überzeugte ihn bei längerem Nachdenken immer weniger.
    Also gut: Paul wählte wieder die Straßenbahn, um nach Erlenstegen zu gelangen, weil er keine Lust hatte, seinen Wagen schneefrei zu schaufeln. Er hatte längst nicht mehr ein so mulmiges Gefühl wie beim ersten Besuch bei der Densdorf und doch zögerte er, bevor er den Klingelknopf neben dem schmiedeeisernen Gartentor betätigte.
    Er wartete und drückte nach einiger Zeit ein zweites Mal. Nichts tat sich. Er sah hinüber zu der Villa und wartete darauf, dass sich die Haustür öffnete oder sich zumindest eine Gardine bewegte. Doch die Densdorf tat ihm diesen Gefallen nicht. Entweder, weil sie ihn nicht empfangen wollte, oder weil sie nicht zu Hause war.
    Paul versuchte es ein drittes und ein viertes Mal. Dann beschloss er, es am nächsten Tag erneut zu versuchen. Paul wandte sich um und stieß dabei beinahe mit einer älteren Dame zusammen, die ängstlich einen Schritt zurückwich. Sie hatte fahle, faltige Haut und trug ihr graues Haar zum Dutt zusammengebunden. In den Händen hielt sie eine Plastiktüte, die sie krampfhaft an ihre Brust presste.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte Paul und wollte der Dame ausweichen.
    »Wollen Sie zu Frau Dr. Densdorf?«, erkundigte sich die Alte mit leicht krächzender Stimme.
    »Ja«, sagte Paul, »aber sie ist offenbar nicht daheim.«
    »Was wollen Sie denn von ihr?«, fragte die Alte und blickte ihn aus ihren kleinen Augen misstrauisch an. »Sind Sie etwa von der Polizei?«
    »Ich habe noch einige Fragen an Frau Densdorf«, sagte Paul und ließ damit offen, ob er womöglich tatsächlich Polizist war.
    »Von mir werden Sie jedenfalls nichts erfahren.« Sie trat einen weiteren Schritt zurück.
    »Sind Sie eine Bekannte?«
    Die Alte nickte zögernd. »Ja.« Sie deutete auf die Plastiktüte. »Ich bin extra den ganzen Weg gegangen, um ihr ihre Stola zurückzubringen, die sie nach unserem letzten Rommé-Nachmittag bei mir liegen gelassen hat.«
    »Oh, Sie spielen gemeinsam Rommé?«, erkundigte sich Paul mit aufgesetzter Freundlichkeit, um seine unverhoffte Chance zu nutzen.
    »Gelegentlich. Natürlich nur mit kleinen Einsätzen«, sagte die Alte eine Spur freundlicher.
    »Wissen Sie: Ich finde es großartig, wenn Damen in Ihrem Alter aktiv bleiben und gemeinsame Unternehmungen organisieren. Gerade für die trauernde Witwe ist so etwas jetzt ganz wichtig.«
    »Meinen Sie?«, fragte die Alte geschmeichelt.
    »Ganz bestimmt.« Er trat näher an sie heran. »Die Sache mit ihrem Mann muss Frau Densdorf schwer getroffen haben.«
    Die Alte nickte.
    »Ein fürchterlicher Tod«, sagte Paul.
    »Ein fürchterlicher Mann«, sagte die Alte für Paul völlig überraschend. »Er hat die arme Marlies ständig betrogen.«
    »Davon hat sie aber erst nach seinem Tod erfahren«, sagte Paul.
    »Von wegen!« In die Alte kam jetzt Bewegung. Sie fuchtelte mit der Plastiktüte herum, während sie redete: »Ganz genau hat sie es gewusst. Frauen spüren es, wenn sie betrogen werden. Die gute Marlies hat still gelitten und geschwiegen. All die Jahre.«
    »Die Arme«, pflichtete Paul ihr bei.
    »Aber was zu weit geht, geht zu weit!« Die Alte dämpfte ihre Stimme, als sie sagte: »Ihr Mann wollte sich absetzen. Mit einer Jüngeren wollte er nach Übersee auswandern. Die Tickets hatte er schon gekauft.«
    »Kursiert das als Gerücht in der Nachbarschaft?«, wollte Paul wissen.
    »Für wen halten Sie mich?« Die Alte strafte ihn mit einem bitterbösen Blick. »Ich habe die Tickets selbst gesehen. Mit meinen eigenen Augen.«
    »Konnten Sie den Namen der anderen Reisenden lesen?«
    »Nein, so indiskret bin ich nicht.«
    »Dann wenigstens den Namen des Reiseveranstalters oder der Fluglinie?«
    Die Alte schüttelte den Kopf.
    »Wo bewahrt Frau Densdorf die Tickets auf?«
    »Marlies hat sie natürlich sofort vernichtet.«
    »Vernichtet?«, fragte Paul entgeistert.
    »So etwas bewahrt man nicht auf, mein Herr. Sie hat sie zerrissen und in den Müll geworfen.«
    »Verflucht!«
    Die Alte musterte ihn, schien dann einen Entschluss zu fassen und drückte ihm die Tüte in die Hand. »Sie sehen vertrauenswürdig aus, junger Mann. Mitunter ist Marlies nachmittags in ihrem Garten und schneidet die Sträucher zurück.«
    »Sträucher schneiden? Im Dezember?«
    Die Alte nickte. »Der Winter ist die beste Zeit dafür. Da fließt noch

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