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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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Gegenlicht aufgenommen wurden«, redete Paul weiter. »Die Frau hat ihre Beine gespreizt, ja, aber was man sieht, sind lediglich verschiedene Grauabstufungen, mehr nicht. Die Erregung des Mannes? Sind Sie sicher, dass es sich nicht nur um den Pflanzenstiel im Hintergrund handelt?«
    Blohfeld schaute sich irritiert nach einer in Frage kommenden Pflanze um.
    »Würden Sie Ihre Hände dafür ins Feuer legen, dass das Paar überhaupt nackt war, als ich es fotografiert habe?«
    Blohfeld schmunzelte anerkennend. »Netter Versuch.« Seine Blicke streiften die Bilder auf dem Tisch. »All diese Brüste und Hintern und hochgeschobenen Röcke – Sie mögen das meinetwegen mit künstlerischer Radikalität rechtfertigen. Aber ich spüre Ihre innere Zerrissenheit.« Blohfeld blickte ihn eindringlich an.
    »Die Seelenqual, die entsteht, wenn kulturbedingte Tabus auf natürliche, triebhafte Sexualität treffen.«
    Abermals war Paul nahe dran, die Bilder in der Mappe verschwinden zu lassen. Er wusste, dass er einem intellektuellen Duell mit Blohfeld auf Dauer nicht gewachsen war. Selbst dann nicht, wenn es um sein eigenes Fachgebiet ging.
    Ihm fiel nichts Besseres ein, als mit einem Zitat zu kontern, das er in der Schule das erste Mal gehört hatte und das er sich zu Eigen gemacht hatte: »So gewinnt derjenige ein Stück Freiheit, der es schafft, sich selbst zu leben nach eigenem Gesetz.«
    »Goethe?«, fragte Blohfeld.
    Paul schüttelte den Kopf. »Friedrich Schiller.«
    Nun war es Blohfeld, der die Bilder einsammelte und in die Mappe zurücklegte. Dann lächelte er, und es wirkte ehrlich.
    »Schöne Aufnahmen. Mein Kompliment. Ein wenig zu scharf für unser Blatt, aber Sie verstehen es, Fotos mit Leben zu füllen.« Er leerte sein Glas. »Haben Sie noch einen davon?«
    Beide gingen in die Küche, wo Paul dem Reporter nachschenkte. Der nippte am Whisky und trat dann zielstrebig an eine kleine Tafel, die Paul zum Notieren seiner nächsten Einkäufe an die Wand gehängt hatte. Blohfeld wischte die Tafel mit der Faust ab und begann, mit einem kleinen Kreidestück darauf zu schreiben.
    »Also, noch einmal: Wir haben zwei Tote.« Er schrieb die beiden Namen auf. »Beide verbindet die Tatsache, dass an den Leichnamen fremde Spuren identischer Herkunft gefunden wurden. Wahrscheinlich stammen sie von einer Frau. Ich frage erneut: Welche Frauen bringen wir mit den beiden Toten in Verbindung?« Er schrieb die Namen der beiden Witwen sowie den der Erlanger Kunstsachverständigen an die Tafel. Beim letzten Namen stutzte er. »Dr. Evelyn Karczenko. – Ich weiß ja, dass sie Ihre Favoritin ist, aber mir ist das zu weit hergeholt. Ich glaube kaum, dass sie etwas damit zu tun hat.«
    »Aber sie hat ein Motiv«, sagte Paul trotzig.
    Blohfeld streifte ihn mit einem nachdenklichen Blick. Er legte den Kopf etwas zur Seite und sagte: »Wie erklären Sie folgenden Widerspruch: Dr. Karczenko zieht Dürers Andenken in den Schmutz, um bekannt zu werden und Karriere zu machen. Wenn sie aber zwei Männer ermordet, wird sie zwar bekannt, macht ihre Karriere aber höchstens im Frauenknast.«
    Paul überlegte. »Angenommen, die beiden Todesfälle waren weder Unfälle noch Morde. Was, wenn es sich beide Male um Notwehr handelte?«
    »Zwei Mal Notwehr ist ein Mal zu viel«, beharrte Blohfeld auf seinen Bedenken. Er leerte sein zweites Glas und wischte die Tafel wieder ab. »Nein, nein. So kommen wir nicht weiter.«
    Er machte Anstalten zu gehen.
    »Warten Sie«, sagte Paul. »Wie wollen wir jetzt vorgehen?«
    Blohfeld war bereits auf dem Weg zur Tür. »Ich weiß es nicht, Flemming. Ich weiß es nicht.«
    »Aber ich«, sagte Paul, nachdem die Wohnungstür hinter Blohfeld ins Schloss gefallen war, und beschloss, ab jetzt das Zepter selbst zu führen.

14
     
    Paul nahm sich Zeit um abzuwägen, welcher Schritt der nächste sinnvolle wäre, um einige der allmählich lästig werdenden Rätsel aus der Welt zu schaffen. Er hatte das Licht in seinem Atelier gedämpft, so dass nur die Konturen seiner Möbel zu sehen waren. Der erste Gedanke, der ihm kam, war zwar nahe liegend, aber leider illegal und nicht durchführbar: Indem er sich Haarproben der drei hauptverdächtigen Damen – der beiden Witwen und der Erlanger Kunsthistorikerin – besorgen und sie mit den an den Leichen sichergestellten Proben vergleichen lassen würde, könnte er die wahre Täterin einkreisen oder aber alle drei sicher aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen.
    Aber er wusste schon

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