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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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kein Saft durch die Äste. Nehmen Sie die Stola und bestellen Sie ihr schöne Grüße von mir. Ich muss wieder heim, mich friert es.«
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ließ die Alte ihn stehen und entfernte sich wackeligen Schrittes.
    Sträucher schneiden? Die Witwe Densdorf erschien Paul von Mal zu Mal wunderlicher. Dennoch beherzigte er den Rat der Alten, öffnete das Gartentor und umrundete die Villa. Hinter dem Gründerzeitbau erstreckte sich eine parkähnliche Gartenanlage. Das Anwesen machte einen sehr gepflegten Eindruck.
    Nach einer Weile erspähte er Frau Densdorf in einer schwer einsehbaren Ecke hinter den Stämmen zweier mächtiger Kastanien. Sie trug einen dunkelgrünen Gärtnerkittel über ihrem Wintermantel und hielt eine gekrümmte Astschere in der Hand.
    »Bitte nicht erschrecken«, kündigte sich Paul an, als er näher trat.
    Die Witwe fuhr herum. Die Augen in ihrem aufgedunsenen Gesicht musterten ihn irritiert.
    Paul hielt ihr die Tüte hin. »Das soll ich Ihnen geben.«
    Sie griff danach, schaute hinein und lächelte. »Nett von Ihnen. Haben Sie wohl meine Freundin Lore getroffen?«
    »Ja. Eine sympathische Frau«, schmeichelte sich Paul ein. Plötzlich spürte er einen sanften Stoß an seinem Bein und wandte sich erschreckt um.
    Ein beängstigend großer, schwarzer Hund stand hinter ihm und beschnüffelte ihn.
    »Sitz, Roxy!«, befahl Frau Densdorf, worauf der Hund augenblicklich von Paul abließ. »Brav.«
    »Ist das Ihrer? Ich habe ihn beim letzten Mal gar nicht gesehen«, sagte Paul mit respektvollem Blick auf den Hund.
    »Er darf nicht ins Haus. Er ist sonst in seinem Zwinger. Sie können ihn ruhig streicheln.«
    Sehr vorsichtig näherte Paul seine Hand dem Kopf des Hundes und tätschelte ihn. Der stieß ein erfreutes Winseln aus und wedelte mit dem kupierten Stummelschwanz. »Braves Hündchen.«
    »Was kann ich denn für Sie tun, Herr …«
    »Flemming.« Paul blieb in der Hocke neben dem Hund sitzen und kraulte dessen Hals. Roxy schmiegte sich an sein Bein. Er bekam wohl nicht oft solche Streicheleinheiten, dachte Paul.
    »Mir ist seit unserem Gespräch neulich einiges Neues zu Ohren gekommen. Wussten Sie zum Beispiel, dass Ihr Mann eine größere Reise geplant hatte?«
    Mit Frau Densdorfs Freundlichkeit war es schlagartig vorbei.
    »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    Paul spürte, wie sich die Muskulatur des Hundes unter seinen Händen anspannte. Er ließ von dem Tier ab und erhob sich langsam. »Ich wollte Sie nicht kränken, aber es ist allgemein bekannt, dass Ihr Mann ins Ausland wollte.«
    »Quatsch«, fauchte Frau Densdorf und schmiss die Gartenschere auf die schneebedeckte Wiese, »das können Sie höchstens bei Lore aufgeschnappt haben, und die weiß gar nichts.«
    »Haben Sie die Flugtickets noch?«, fragte Paul ohne weitere Umschweife.
    »Nein, und damit Sie es wissen: Ich habe nicht nachgeschaut, mit wem mein Mann Hals über Kopf das Weite suchen wollte. Es interessiert mich nicht, ob sie Inge, Marion oder Andrea heißt, verstehen Sie? Es interessiert mich einfach nicht!« Sie bückte sich und suchte im Schnee nach der Gartenschere.
    »Wenn Ihr Mann tatsächlich einen Neubeginn im Ausland geplant hatte, brauchte er eine Menge Startkapital.«
    »Dieser Gedanke ist mir auch gekommen«, nuschelte die Witwe vor sich hin. »Aber auf unseren Konten fehlt nichts.«
    »Dann muss er sich eine andere Quelle erschlossen haben«, sagte Paul.
    Frau Densdorf hatte ihre Schere wieder gefunden. Sie richtete das spitze Ende direkt auf Paul, als sie sagte: »Es interessiert mich nicht.« Sie starrte ihn finster an und wiederholte mit erhobener Stimme: »Es interessiert mich nicht!«
    Der Hund stand angespannt neben seinem Frauchen im Schnee und blickte die Witwe fragend an. Paul gefiel dieses Bild gar nicht. Er beschloss, schleunigst den Rückweg anzutreten.
    »Danke, ich möchte Sie heute nicht weiter behelligen.«
    Er reichte ihr die Hand, doch sie hielt weiter die Schere umklammert.
    Paul ging die ersten Schritte rückwärts und behielt den Hund dabei genau im Auge. Dann wandte er sich um und bemühte sich, auf dem Weg zum Gartentor keine übertriebene Eile an den Tag zu legen.
    Er war vielleicht zehn Meter weit gekommen, da meinte er einen gezischten Befehl der Witwe zu hören. Das Wort war kurz, sagte aber alles: »Fass!«
    Paul brauchte sich nicht umzusehen, denn er hörte bereits am keuchenden Hecheln, dass sein kurzfristiger Hundefreund in diesem Augenblick zähnefletschend hinter ihm her

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