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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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war. Paul beschleunigte das Tempo. Er rannte – soweit der tiefe Schnee das zuließ – auf die Villa zu. Das Keuchen und Schnaufen hinter ihm wurde sehr schnell lauter. Paul konnte sich lebhaft vorstellen, wie sich das Gebiss des Hundes jeden Augenblick in seine Wade graben würde.
    Er hetzte am Seitenflügel des Hauses vorbei. Der Gartenzaun war in Sichtweite, doch der Hund hatte ein viel höheres Tempo drauf als er. Paul rannte, so schnell er konnte.
    Dann machte er einen Fehler: Er drehte sich um, sah den Hund knapp drei Meter hinter sich, stolperte über eine Unebenheit im Schnee und fiel hin.
    Paul tauchte mit dem Gesicht voran in den Schnee. Er konnte sich kaum aufrappeln, da hatte ihn der Hund schon erreicht. Die schwarzen Augen des Tieres fixierten ihn mit tödlicher Entschiedenheit. Das furchteinflößende Gebiss des Hundes vor Augen, schrie Paul auf.
    Doch es passierte nichts.
    Roxy beließ es beim Knurren, so dass sich Paul langsam aufrichten und seinen Weg zum Gartentor fortsetzen konnte. Im Zeitlupentempo entfernte er sich von dem Hund und war froh, als er das Tor hinter sich schließen konnte.
    Trotz der Kälte war er völlig durchgeschwitzt. Er stützte sich auf einen Zaunpfosten und rang nach Luft. Aus dem Garten starrten ihn Roxy und sein Frauchen böse an.
    Einen weiteren Besuch bei der Witwe würde er sich – wenn irgend möglich – ersparen.
     
    Auf dem Rückweg fragte er sich, ob Blohfeld ebenfalls weiter recherchierte und im Gegensatz zu ihm bei seinen Recherchen ein leichteres Spiel haben würde.
    Aber bis er ihn wieder traf, riefen andere Pflichten. Paul musste dringendst seine Finanzlage in Ordnung bringen. Wenn er ernsthaft als Fotograf bei der Dürerhaus-Eröffnung ins Geschäft kommen wollte, dann musste er nun schleunigst die Weichen dafür stellen: Er musste sich vor Ort ein Bild machen. Netterweise hatte Jan-Patrick einen Termin für ihn vereinbart, bei dem er mit einem Vertreter des Rathauses über sein Honorar verhandeln konnte. Wer weiß, dachte er, vielleicht würde er bei dieser Gelegenheit auch gleich das Versprechen einlösen können, Lena auf ihrer Baustelle zu besuchen.

16
     
    Er musste ein Mal umsteigen, dann hatte er sein Ziel erreicht. Von der Haltestelle Tiergärtnertorplatz waren es nur wenige Minuten bis zum Dürerhaus. Die Tür, an der noch das Baustellenschild mit der Mahnung Betreten auf eigene Gefahr hing, war angelehnt. Paul stieß sie auf und trat ein.
    Seine Augen mussten sich erst an das Zwielicht in der großen Tenne gewöhnen. Dort war Platz genug für Fuhrwerke, die zu Dürers Zeiten Säcke mit Getreide, Kisten mit Gemüse und geräuchertem Fisch anlieferten. Paul stand vor einem großen Arbeitstisch und stellte sich vor, wie die Hausherrin genau an dieser Stelle saß und zusammen mit ihren Gehilfen die säuberlich aufgerollten Druckwerke ihres Mannes in kleine Fässer steckte, um sie bei den weiten Transporten vor Beschädigungen zu schützen. Meistens waren sie zusätzlich in Wachspapier eingewickelt worden und konnten so – zumindest theoretisch – Jahrhunderte überdauern.
    Die Tenne war in ihren Originalzustand zurückversetzt worden. Paul wunderte sich nur darüber, warum Lena gerade hier einen unpassend modernen Tresen zur Ausgabe von Kopfhörern für Führungen einbauen hatte lassen. Aber ihm sollte es egal sein. Er war nicht der Architekt, der die Sanierung des Dürerhauses zu verantworten hatte, sondern …
    »Der Fotograf!« Ein Mann von schwer einzuschätzendem Alter kam ihm entgegen. Er lächelte einen Deut zu freundlich. Seine Haare waren gewellt und geschmeidig zurückgekämmt, seine schlanke Nase zierte eine Brille mit markantem Horngestell. Der Mann machte den Eindruck eines Germanistikstudenten, der längst kein Student mehr war, aber einen Großteil seiner Abende damit verbrachte, mit Gleichgesinnten italienisch zu kochen und anschließend stundenlang über Sartre und Camus zu philosophieren.
    Der ewige Student drückte ihm fest die Hand. »Schön, dass Sie gekommen sind, Herr Flemming. Dr. Winkler mein Name. Der Bürgermeister freut sich schon sehr darauf, demnächst Ihre Bekanntschaft machen zu dürfen. Vorerst müssen Sie allerdings mit mir vorlieb nehmen. Haben Sie Spesen zu berechnen? Wir sind selbstverständlich bereit, für alle Unkosten kurzfristig aufzukommen.«
    Paul kam nicht dazu, sich über die ungewöhnliche Großzügigkeit des Rathausvertreters zu wundern, denn seine Aufmerksamkeit wurde von einer Frau auf sich

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