Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Bilder von der Christkindlesmarkteröffnung zu überlassen?«
Paul war verdutzt. »Doch, habe ich«, sagte er dann mit leichter Entrüstung. »Als ich die Fotos neulich einer Kollegin von Ihnen im Rathaus angeboten habe, wollte sie nichts davon wissen. Warum der plötzliche Sinneswandel?«
Winkler war die Angelegenheit offenbar selbst unangenehm, denn er trat unschlüssig von einem Bein auf das andere.
»Wir – das heißt: Dr. Frommhold hat ein gesteigertes Interesse an Ihren Aufnahmen.«
»Sie haben mich neugierig gemacht«, ging Paul auf die Sache ein. »Wie kommt es zu diesem gesteigerten Interesse?«
»Sie sind ein cleverer Mann, Herr Flemming«, antwortete Winkler auffällig leise und steuerte auf die Ausgangstür zu. »Die Antworten liefern Sie sich durch Ihre Fragen doch gleich selbst. Mir ist das Thema zu pikant, wenn Sie erlauben.« Winkler beschleunigte seinen Schritt und Paul hatte Mühe mitzuhalten.
»Nun«, sagte Winkler bedeutungsschwanger, als sie wieder im Parterre angelangt waren. »Was gedenken Sie, uns für die Dürerhaus-Eröffnung in Rechnung zu stellen?« Er hob die Hände und sagte beschwörend: »Bedenken Sie. Das ist kein Allerweltstermin. Es handelt sich um eine exklusive Fotoreportage.«
Bin ich im falschen Film?, fragte sich Paul und biss sich auf die Lippen. Wollte ihn Winkler tatsächlich hoch- statt herunterhandeln? Paul beschloss, einen Köder auszulegen: »Na ja, ich denke, da hatte ich schon schwierigere Aufträge.«
Winklers Augenlider begannen prompt zu flattern. »Stellen Sie Ihre Qualitäten nicht in Frage. Sie sind unser Mann, und wir sind bereit, einen entsprechenden Preis zu zahlen.«
»Ich soll doch nur einen einzigen Abend lang fotografieren? Oder habe ich da etwas falsch verstanden?«
Winkler trat dicht an ihn heran. »Machen Sie es mir doch bitte nicht so schwer. Herr Frommhold hat Ihnen diesen lukrativen Auftrag zugeschanzt, um im Gegenzug die Bilder von der Christkindlesmarkteröffnung zu bekommen.«
»Warum sind die Bilder für ihn so wichtig?«, Paul hatte nun definitiv genug von diesen Spielchen.
»Weil sie – wie gesagt – für ihn in gewisser Weise pikant sein könnten.« Winkler fiel es hörbar schwer weiterzureden. Er brachte nur noch ein gepresstes »Frauengeschichten« heraus.
»Densdorf hat es übertrieben«, sagte Winkler nach einem kurzen Moment des Schweigens und hüstelte verklemmt. »Das beinahe öffentliche Ausleben seiner – äh – Triebe schadete seinem Ruf und dem der, äh, Stadt.« Er hüstelte erneut und fügte verlegen nuschelnd hinzu: »Kein Ruhmesblatt für uns.«
Dass Densdorf ein rücksichtsloser Schürzenjäger war, wusste Paul bereits. Doch dass er für seine Leidenschaft seinen Job aufs Spiel gesetzt hätte, bezweifelte er. Er musterte den Abgesandten des Bürgermeisters, der seinem Blick auswich. Paul wusste ja, dass die Politik mitunter ein schmutziges Geschäft war. Was er in diesen Minuten erlebte, übertraf allerdings seine schlimmsten Klischeevorstellungen. Hinzu kam: Er glaubte seinem Gegenüber kein Wort.
»Herr Winkler«, startete er einen Versuch, »kann es unter Umständen sein, dass Herr Frommhold ein persönliches Interesse an den Bildern hat?«
Winkler lief prompt rot an. Seine Antwort fiel entsprechend barsch aus: »Herr Flemming, ich biete Ihnen gutes Geld für Ihre Negative. Eigentlich könnte man von Ihnen erwarten, dass Sie sie aus reinem Ehrgefühl gegenüber Ihrer Heimatstadt ganz ohne jede Gegenleistung herausgeben.« Doch dann erkannte er offenbar, dass Paul niemand war, der sich so einfach abspeisen ließ. Winkler legte eine Kunstpause ein und holte dann aus: »Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Sie auf gar keinen Fall von mir haben: Herr und Frau Frommhold gehen in privaten Dingen seit längerer Zeit getrennte Wege. Zwischen Frau Frommhold und Herrn Densdorf gab es kürzlich offenbar engere Kontakte. Sie werden verstehen, dass es Herrn Frommhold ein großes Bedürfnis ist, nach Densdorfs Tod jeglichen Skandal zu vermeiden, der mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden könnte.«
Wenn sich Paul einbildete, dank dieser Information nun am längeren Hebel zu sitzen und weiter nachhaken zu können, dann täuschte er sich, denn Dr. Winkler fügte schneidend hinzu: »Diskretion ist nun oberstes Gebot – immerhin wollen Sie ja weiterhin Aufträge von uns bekommen, oder sehe ich das falsch?«
Paul zwang sich zu einem Lächeln und sagte ausweichend: »Ich bin womöglich mit Ihrem Angebot
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