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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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einverstanden. Sie müssen sich nur ein wenig gedulden.« Er registrierte sehr wohl, wie sich Winklers Brauen düster verengten. »Bei mir ist eingebrochen worden«, fügte Paul hinzu. »Ich muss meine Bestände neu sortieren. Geben Sie mir ein paar Tage Zeit, bitte.«
     
    Als Paul auf dem Heimweg war, hatte er einen Auftrag über fünftausend Euro in der Tasche und damit seinen Lebensunterhalt für die nächsten zwei Monate locker gesichert. Aber er hatte diesen Auftrag nur im Tausch gegen eine Lüge bekommen: Die Zusage, dass er die Negative herausgeben würde. Er fragte sich jetzt heftig beunruhigt, ob es womöglich Bürgermeister Frommhold oder seine Frau selbst gewesen waren, die seine Wohnung nach den Negativen durchwühlen lassen hatten.
    Verflucht …! Er schlitterte über eine glatte Stelle auf dem Kopfsteinpflaster. Vielleicht, ja, vielleicht war Frau Frommhold sein Phantom und sie könnten sich weitere Nachforschungen über die anderen Verdächtigen sparen.
    Wenn allerdings mit Frau Frommhold wieder einmal eine neue Kandidatin ins Spiel gebracht wurde, bekam Paul allmählich erhebliche Probleme mit seiner Glaubwürdigkeit. Denn Paul war sich durchaus im Klaren darüber, wie seltsam er auf Katinka wirken musste, wenn er mit seinen ständig wechselnden Verdächtigungen bei ihr vorsprach.
    Paul stapfte durch die dicke Schneedecke, die den Tiergärtnertorplatz bedeckte, und machte sich – vorbei am vergoldeten und frisch polierten Ritter im Erker des Fachwerkhauses am Ausgang des Platzes – an den Abstieg in sein Viertel. Der Abstieg war wörtlich zu nehmen, denn immerhin trennten seine Wohnung und das Dürerhaus etliche Höhenmeter. Die Bürgersteige waren schlecht gekehrt, weil bei dem anhaltenden Schneefall kaum jemand die Energie zum Fegen aufwenden wollte.
    Beim mühsamen Vorankommen hing er seinen dumpfen Gedanken nach: Mit jedem Tag, an dem er sich als Hobbydetektiv versuchte, nahm die Zahl der Verdächtigen und Motive zu. Nur leider nicht die Zahl der handfesten Beweise. Das Phantom, das er auf Negativ gebannt hatte, gewann nicht etwa an Kontur, nein, im Gegenteil: Es verlor! Wenn er nicht aufpasste, würde der Fall für alle Zeiten ein unheimlicher, unerklärbarer Spuk bleiben.
    Es war längst dunkel und lausig kalt. Er hatte sich viel zu lange im Dürerhaus aufgehalten. Er schlug den Kragen seiner Jacke nach oben und zog den Kopf ein. Seit dem Frühstück hatte er nichts zu sich genommen. Der Gedanke an seinen leer geräumten Kühlschrank trug nicht dazu bei, seine Lust auf den bevorstehenden Abend zu steigern. Vielleicht, dachte er sich, würde er auf einen Sprung in der Kaiserburg vorbeischauen. Die mit Nippes jeder Art überladene Kneipe, urig gemütlich mit einem unterirdischen Gewölbe inklusive Spinnenweben und Ritterrüstungen, lag gleich in der Nähe an der Oberen Krämersgasse.
    Pauls Wohlfühlbarometer stieg prompt, als er in die schmale Flucht der Gasse einbog. Die wenigen Meter bis zum Kneipeneingang musste er in nahezu vollständiger Dunkelheit zurücklegen. Die eng stehenden Häuser schirmten das Mondlicht ab, und die einzige Straßenlaterne in der Nähe war ausgefallen.
    Spezialität der Kaiserburg war ein dunkles Landbier, das jede Woche frisch aus einer kleinen Brauerei in der Fränkischen Schweiz angeliefert wurde. Dazu würde sich Paul ein Schäuferle mit Kloß bestellen. Schon beim Gedanken daran lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Oder, dachte er, als seine Schritte langsamer wurden, um nicht wieder auf dem kaum gestreuten Pflaster auszurutschen, er würde sich für Käsespätzle mit einer Hand voll Röstzwiebeln und Feldsalat mit Speck entscheiden. Oder vielleicht – »Halt bloß dein Maul!«
    Paul spürte einen heftigen Hieb auf seinen Schultern. Er fuhr zusammen und war gelähmt vor Schreck.
    »Wenn du mich anzeigst, mach ich dich kalt! Habe keine Probleme damit. Verstanden?«
    Die Stimme, die er in seinem Nacken hörte, klang jung und aggressiv. Gleichzeitig meinte er ein leichtes Lallen aus den Drohungen des Mannes herauszuhören. Paul sagte keinen Ton.
    »Ganz ruhig. Du kommst mit!«
    Paul spürte einen festen Griff an seinem Kragen. Er fügte sich, als der Unbekannte ihn in eine Nische ein paar Meter vom Kneipeneingang entfernt zerrte. »Ich bin ganz ruhig«, zwang er sich zu sagen, hörte aber selbst, wie seine Stimme zitterte. »Ich habe nicht viel Geld bei mir.«
    »Halt’s Maul!« Der Mann zog seinen Griff fester. Pauls Kragen spannte sich um seinen Hals.

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