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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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noch was zu finden?«, fragte Paul erstaunt.
    »Ja, Federkiele, ein zerbrochenes Tintenfass, allerlei Kleinkram. Die haben extra ein paar Panzerglasvitrinen angeschafft, um das Zeug in die Ausstellung aufzunehmen«, sagte Fink.
    Paul erinnerte sich, beim Gang durchs Dürerhaus einige schlanke Säulen mit Glasquadern darauf gesehen zu haben. Für seine Fotodokumentation würde er die Fundstücke außerhalb dieser reflektierenden Aquarien fotografieren müssen. Darüber müsste er unbedingt mit Winkler sprechen, merkte er sich gedanklich vor.
    »Was ist ein original Dürer-Pinsel wert?«, fragte er.
    »Schwer zu sagen. Eigentlich ist es ja mehr ein ideeller Wert. Aber ein Sammler, der verrückt genug ist, würde einige große Scheine dafür auf den Tisch legen.« Fink wechselte den Tonfall, als er nun sagte: »Aber deswegen bist du nicht hier. Dieser bayerisch überkorrekte Kontaktbeamte hat mich schon ins Bild gesetzt. Lass uns in die Kirche gehen. Um diese Zeit müsste der, den du suchst, zu Hause sein. Wenn er es wirklich war, der dich nachts überfallen und deine Wohnung verwüstet hat, hat er die längste Zeit unter Gottes Dach gehaust.«
    Fink konnte knallhart sein, das hörte Paul deutlich aus dessen Stimme. Sie durchquerten den vor kurzem vom Schnee geräumten Innenhof des Pfarrhauses, um sich dann durch den Neuschnee auf dem Sebalder Platz hinüber zur Kirche durchzukämpfen, deren hell angestrahlte Türme sich wie zwei drohende Finger gegen den schwarzen Nachthimmel abhoben.
    Kurz darauf standen sie vor dem Kirchenportal am Westchor. Die schwarze Pforte mit den gruseligen, plastisch herausgearbeiteten Darstellungen der apokalyptischen Reiter versperrte ihnen trotzig den Weg. Sie ließ sich nicht öffnen, da mochte Fink noch so oft am Türknauf drehen. Sie mussten mit den Füßen den Sockel vom Schnee befreien. Paul suchte nach einer Möglichkeit, an der Tür zu ziehen, und legte seine Hände mangels weniger gespenstischer Alternativen auf die Sense des Sensenmannes, dessen hohle Totenaugen ihn zu fixieren schienen. Die Tür wehrte sich beharrlich gegen alle Versuche, sie aufzuziehen. Der fest gepappte Schnee auf der Schwelle erwies sich als widerstandsfähig. Die zahnlose Mundöffnung im Schädel des Sensenmannes kam Paul wie zu einem höhnischen Lächeln verzogen vor. Mit vereinten Kräften wuchteten sie die mächtige Pforte schließlich so weit auf, dass sie gerade hindurchpassten.
    Fink schaltete das Notlicht ein. Den unförmigen Klumpen, der auf der anderen Seite des Kirchenschiffs im Ostchor lag, sahen sie sofort. Wortlos stürzten die beiden auf den leblosen Körper zu.
    Schockiert und gleichzeitig angewidert beugte sich Paul über das, was einmal ein Mensch gewesen war und nun mit ausgestreckten Armen und Beinen auf dem Steinfußboden lag. Unmittelbar neben dem monumentalen Bronzegrab des Stadtheiligen St. Sebald. Paul sah einen dunklen, blutverkrusteten Haarschopf.
    Fink legte seine rechte Hand auf den zerstörten Körper und murmelte etwas, das das Wort »Vergebung« enthielt.
    Paul, hin- und hergerissen zwischen Ekel, Angst und Neugierde, überlegte kurz, ob er seine kleine Leica, die er immer in der Manteltasche bei sich trug, herausholen sollte. Die Pietät verbot es ihm, und er wusste auch nicht, ob er überhaupt fähig war, sie in seinen zitternden Händen einigermaßen ruhig zu halten.
    Der Pfarrer hockte neben der Leiche. Er beendete das leise Gebet, dann erhob er sich und sagte überraschenderweise: »Hast du eine Kamera dabei?«
    Paul nickte verständnislos.
    Fink zog ein Handy aus seinem Mantel. »Bevor ich die Polizei verständige, möchte ich, dass wir hier alles sauber dokumentiert haben. Ich will keinen Ärger mit der Landeskirche bekommen. Der Landesbischof soll sich selbst ein Bild machen können, bevor er aus zweiter Hand von der Presse informiert wird.«
    Paul bewunderte die nüchterne Professionalität des Pfarrers: Er war es gewohnt, mit dem Tod umzugehen – und trotzdem war auch er kreidebleich.
    Ihm gelang es, einige Fotos zu schießen, wobei er bei jedem Aufflackern seines Blitzes gegen Schübe von Übelkeit ankämpfen musste.
    Fink sprach in sein Handy. Auch jetzt noch nüchtern und kühl. Dann winkte er Paul hinter sich her. »Bis die Polizei da ist, schauen wir uns in der Bleibe des armen Kerls um. Es muss ja nicht sein, dass er hier irgendwelche Drogen gehortet hat.«
    »Du willst Beweismittel beiseite schaffen?«, fragte Paul ziemlich verstört.
    »Ich möchte mir erst

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