Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse
Lederkorsage.«
»Okay«, sagte Blohfeld jetzt eine Spur aufgeschlossener. »Ich mag Ihre schlagfertige Art. Ich denke, ich habe demnächst etwas Interessantes für Sie.«
»Hat es mit dem Unglücksfall am Christkindlesmarkt zu tun?«, fragte Paul und rieb sich dabei das rechte Knie, das ihn seit einer Verletzung beim Fußballspiel des Öfteren plagte.
»Womöglich«, sagte Blohfeld nun wieder kurz angebunden.
Etwas in Blohfelds Stimme ließ Flemming aufhorchen – und seine Neugierde erwachen. Vielleicht war es nicht gerade klug, was sein eher schwieriges Verhältnis zu Blohfeld anging, aber er musste einfach noch ein bisschen bohren: »Wissen Sie«, holte er aus, »ich stehe zwar nicht unter Schock, wie Sie es vorhin ausgedrückt haben, aber zugegeben: Mir lässt die Sache von gestern Abend keine Ruhe. Sie haben in Ihrem Artikel mit Fakten ziemlich geknausert.«
»Wenn ich gleich alles schreiben würde, was ich weiß, würde am nächsten Tag niemand mehr die Zeitung kaufen.«
»Klar. Aber warum haben Sie nichts von Densdorfs letzten Worten erwähnt? Keine Zeile über Dürer?«
Blohfeld gab sich wenig auskunftsfreudig: »Dürer? Was gibt es da großartig zu erwähnen?«
Paul streckte sein Bein aus, um das Knie zu entlasten, und bedauerte für einen flüchtigen Moment das jähe Ende seiner Freizeitkickerkarriere, die an einem verregneten Sonntag auf dem Sportplatz am Valznerweiher durch einen Kapselriss besiegelt worden war – unrühmlich in einer großen Pfütze im Strafraum. Paul wartete, bis Blohfeld selbst die Antwort auf seine Frage geben würde.
Der Reporter schwieg zunächst ebenfalls, dann lachte er auf.
»Die Geschichte der so genannten letzten Worte ist lang. Meistens steckt nichts dahinter, oder es wird zu viel hineininterpretiert.«
»Aber ist es nicht ziemlich merkwürdig, dass jemand im Augenblick seines Todes ausgerechnet ›Dürer‹ sagt? Ich meine, er könnte ja auch nach seiner Mutter rufen oder meinetwegen den Namen seiner Geliebten hauchen. Aber Dürer?«
Blohfeld ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Nun gut, immerhin ist Albrecht Dürer das Aushängeschild der Stadt und die Sanierung des Dürerhauses dürfte Densdorf ziemlich in Schach gehalten haben in letzter Zeit.«
Paul gab Blohfeld Recht: Densdorf hatte am großen Ereignis der Dürerhaus-Eröffnung wohl tatsächlich bis in den Tod hinein festgehalten. Der Mann musste – abgesehen von einigen Affären, die man ihm nachsagte – voll in seinem Beruf aufgegangen sein.
»Wenn das alles ist …«, drängte Blohfeld.
»Moment noch«, sagte Paul hastig, um zu verhindern, dass der andere den Hörer auflegte. »Hat Densdorf tatsächlich nur ›Dürer‹ gesagt, bevor er gestorben ist?« Paul erinnerte sich: Durch den Sucher seiner Kamera hatte es so ausgesehen, als ob Densdorf im Todeskampf mehr als ein Wort auszusprechen versucht hatte.
»Ja«, sagte Blohfeld. Flemming hörte das Rascheln von Papier.
»Er hat nach der Aussage des Notarztes noch einige unverständliche Töne von sich gegeben, aber ansonsten nichts. Wenn Sie der Fall wirklich so interessiert, hören Sie sich doch mal auf dem Christkindlesmarkt um.«
»Ist das ein Auftrag?«, fragte Paul eilfertig.
»Nein, ein Ratschlag.«
Paul war enttäuscht. »Mehr wollen Sie mir also nicht verraten?«
»Ich bin nicht die Auskunft. Warten Sie, bis es in der Zeitung steht.«
»Okay«, sagte Paul kleinlaut. »Ich werde also ein bisschen auf dem Christkindlesmarkt recherchieren. Auf Wiederhören.«
Paul wollte bereits auflegen, da sagte der andere: »Rufen Sie mich an, falls etwas Brauchbares dabei herauskommen sollte. Womöglich –«, Blohfeld unterbrach sich und wiederholte dann: »Womöglich kommen wir auf diese Weise ins Geschäft. Hartnäckigkeit besitzen Sie ja.« Blohfeld hängte ein.
3
»Ist das nicht absurd? In der Pegnitz ertrunken?« Paul fasste sich an den Kopf. »In der Zeitung stand ja, er wäre auf einer vereisten Pfütze ausgerutscht und in den Fluss gestürzt, aber ist das denn überhaupt möglich bei all den Leuten, die ihn am Hineinfallen hätten hindern können?«
»Wenn du mich fragst: kaum. Man muss schon Augen und Ohren fest geschlossen halten oder rückwärts laufen, um so unglücklich in den Fluss zu stürzen.« Max legte das Messer, mit dem er eben noch eine Brezel durchgeschnitten und mit einer dicken Lage Butter bestrichen hatte, beiseite und wischte sich die Hände an seiner Schürze ab. Max hatte merklich abgenommen, seit ihn Paul das
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