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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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erklärte sie: »Ich bin das Musterbeispiel der geschiedenen Ehefrau, deren Kind ständig zu kurz kommt. Der Beruf stand bei mir immer an erster Stelle, und ich bin nie bereit gewesen, einen Kompromiss zugunsten der Familie einzugehen.«
    Paul hörte aufmerksam zu, ohne Anstalten zu machen, sie zu unterbrechen.
    Katinka lehnte sich zurück und erzählte weiter: »Als Quittung für meinen Egoismus hat mir mein Mann eines Tages die intelligente, schöne Sonja präsentiert. Ohne Frage eine patente und wirklich sehr hübsche Konkurrenz mit einem großen Herz für Kinder. Was mich besonders wurmt, ist aber die Tatsache, dass Super-Sonja als Chefärztin beruflich genauso erfolgreich ist wie ich und in der gesellschaftlichen Hackordnung sogar noch über mir steht.«
    Eine Niederlage auf allen Ebenen, dachte sich Paul. Das kratzte sicher an ihrem Ego – und jeder Kontakt mit ihrer heranwachsenden Tochter machte es für sie bestimmt noch schwieriger.
    »Immerhin hast du überhaupt ein Kind auf die Welt gebracht. Damit bist du schon entscheidend weiter gekommen als ich«, übte sich Paul im Trösten.
    »Naja, ich will mich ja gar nicht beschweren. Meistens kommen wir ganz gut miteinander aus. – Aber zurück zur Sache: Dank deiner fleißigen Recherchearbeiten bin ich ein ganzes Stück vorangekommen.« Ungeduldig nahm sie sich einige Unterlagen, die sie in einer eleganten silbergrauen Aktentasche mitgebracht hatte, vor. Sie breitete sie vor Paul auf dem kleinen runden Bistrotisch aus. Sie zeigte ihm die polizeilichen Protokolle, die Interviews mit Zeugen und Hinterbliebenen sowie einige Tatortfotos.
    »Wie schon vermutet hat das Motiv möglicherweise in einer gemeinsam vorbereiteten Straftat im Zusammenhang mit der Dürerhaus-Sanierung gelegen.« Sie beugte sich vor, um das Handy in ihre auf dem Boden abgestellte Handtasche zu stecken. »Die simpelste Erklärung wäre eine gemeinsame Absprache über eine manipulierte Baukostenabrechnung.«
    »Du meinst, Densdorf und der Schreiner haben Rechnungen getürkt, um sich zu bereichern?«
    »So ungefähr. Bei einem millionenschweren Bauprojekt wie dem Dürerhaus kann da schon ein hübsches Sümmchen zusammenkommen, wenn man sich geschickt anstellt. So etwas haben wir alles schon gehabt.«
    Katinka hatte ihre schmalen Hände ineinander verschränkt. Das half ihr wohl bei der Konzentration, dachte Paul. Ihr Gesicht verriet kein Zeichen der Überanstrengung oder des Stresses, dem sie sich beruflich wie privat ausgesetzt fühlen musste. Auf ihrer Stirn, die zur Hälfte von ihrem glatten blonden Haar verborgen war, ließen sich nicht die Ansätze einer Falte erkennen. Auch die oft verräterischen Fältchen um die Augen suchte man bei ihr vergeblich.
    Katinka gelang es, ihr wahres Alter ebenso zu verschleiern wie ihren Werdegang als Juristin, über den Paul aber inzwischen mehr in Erfahrung gebracht hatte: Durch eine ungeplante frühe Schwangerschaft war Katinka schnell erwachsen geworden. Sie hatte sich nicht in das Schicksal fügen wollen, das ihr alle – auch ihre Eltern – vorhergesagt hatten: als Alleinerziehende auf unabsehbare Zeit von der Sozialhilfe zu leben. Sie meisterte den Kraftakt, Baby und Studium parallel zu managen und legte einen Abschluss mit summa cum laude hin, um ihren Eltern und allen anderen endlich zu beweisen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war.
    Das Handy klingelte erneut. Katinka richtete sich in ihrem Stuhl auf, die Hände noch immer gefaltet. »Entschuldige bitte, Paul«, sagte sie dann und löste zögernd ihre ineinander verwobenen Finger. Sie nahm langsam, fast widerstrebend das Handy aus der Tasche.
    Paul meinte, wieder die weibliche Stimme zu hören. Dieses Mal noch ein wenig forscher.
    Katinka hörte einen Augenblick lang zu, wobei sich ihre Brauen verengten. Dann fauchte sie in den Hörer: »Das wirst du nicht tun!« Mit ihrer Selbstbeherrschung war es vorbei, und Paul wandte sich abermals diskret ab.
    »Du verdirbst alles! Das passt einfach nicht zusammen. Du schadest am Ende nur dir selbst.« Katinka legte auf und blieb regungslos sitzen.
    Paul betrachtete aufmerksam ihr Profil. Sie hielt den Kopf gesenkt, den Blick noch aufs Handy gerichtet. Ihre Kiefer mahlten.
    Trotz ihrer angespannten Haltung wagte Paul einen Vorstoß. Er beugte sich vor, legte seine Hand auf ihre Schulter und erkundigte sich: »Ärger mit dem Nachwuchs?«
    Katinka sah ihn merkwürdig verhalten an. »Ich frage dich: Was ist schlimmer? Eine Tochter vor, während oder nach der

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