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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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sich entfernt hatte, nahm Paul den Faden wieder auf: »Aber sie hätte keinen wirklichen Grund gehabt, die beiden zu töten. Und erst recht keinen, den Stadtstreicher vom Dachboden der Sebalduskirche zu stoßen.«
    »Sie kam aus meiner Sicht ohnehin nicht in Frage. Viel zu gutmütig, die Kleine.« Blohfeld machte den nächsten Strich. »Merken Sie etwas?«, fragte er mit Blick auf die beiden Namenslisten.
    »Ja«, sagte Paul. »Es bleibt im Grunde genommen immer nur ein Name stehen, bei dem es letzte Zweifel gibt.«
    »Die Karczenko«, sagten beide wie aus einem Mund.
    Sie hoben ihre Gläser. Mit gemischten Gefühlen prostete Paul Blohfeld zu.
    Sollten sie der Lösung die ganze Zeit über wirklich so nahe gewesen sein? Paul rief sich sein Treffen mit der Kunsthistorikerin ins Gedächtnis und die Eindrücke, die er von ihr gewonnen hatte. Dann dachte er an die Dinge, die nach und nach über sie durchgesickert waren. An erster Stelle die Sache mit dem falschen Doktor.
    Der Reporter legte sein Notizbuch beiseite. »Es ist viel einfacher, als wir uns das vorgestellt haben«, sagte er. Seine Wangen waren gerötet. »Wir müssen uns von Hirngespinsten wie den unglücklichen Liebesaffären, geheimen Schätzen und Revanchegelüsten wegen des Rufmords an Dürer endlich lösen! Die einzige logische und widerspruchfreie Theorie ist folgende: Wir haben ein schlagkräftiges Trio bestehend aus Densdorf, dem Schreiner und der Karczenko – also dem Kopf, dem Praktiker und der Theoretikerin. Dieses Trio plant von langer Hand einen millionenschweren Coup. Es war bekannt, dass im Rahmen der Dürerhaus-Eröffung einige Leihgaben von Dürer-Originalen nach Nürnberg gebracht und im Dürerhaus ausgestellt werden.«
    Blohfeld trank und sprach – kaum hatte er heruntergeschluckt – weiter: »Das Trio sucht zunächst noch nach einem Handlanger und findet ihn in dem abgebrochenen Kunststudenten, dem Penner aus der Sebalduskirche.« Blohfeld nahm einen weiteren Schluck, diesmal mit mehr Hingabe. »Mmm, ein guter Spanier. Gran Reserva, das schmecke ich an der ausgeprägten Holznote.«
    »Jaja«, sagte Paul ungeduldig. »Und weiter?«
    »Das liegt auf der Hand: Der verhinderte Künstler perfektionierte in den vergangenen Monaten seine Fähigkeit, Dürer zu kopieren, und schuf Duplikate seiner wichtigsten Werke. Die Karczenko kam ihm dabei zu Hilfe, denn sie weiß ja, worauf man bei Fälschungen besonders achten muss.«
    »Das sagen Sie so leicht dahin?«, wandte Paul ein. »Um einen Dürer auch nur halbwegs glaubwürdig kopieren zu können, muss man selbst ein Meister sein.«
    Blohfeld lächelte ihn nachsichtig an. »Wie heißt es so schön: Übung macht den Meister. Der Mann hatte Wochen, vielleicht sogar Monate Zeit, um sich auf seine große Aufgabe vorzubereiten. Außerdem kam ihm wie gesagt die Karczenko bei seiner Arbeit zu Hilfe, denn sie weiß ja, worauf es bei Kopien ankommt.«
    »Das klingt ziemlich wüst, aber es ergibt Sinn«, sagte Paul anerkennend.
    Blohfeld nickte. »Nun kommt der Schreiner ins Spiel: Er war auch für die Ausstellungsräume und speziell für die Ausstellungsflächen zuständig. Er kannte die Aufhängungsvorrichtungen und Sicherheitsvorkehrungen deshalb aus dem Effeff.«
    »Lassen Sie mich raten«, folgerte Paul. »Der Plan war, in der Hektik der Feierlichkeiten Dürer-Werke durch Fälschungen auszutauschen und sich dann mit den Originalen abzusetzen. Damit hätte auch das Flugticket einen Sinn, auf das Frau Densdorf in den Unterlagen ihres Mannes gestoßen war.«
    Blohfeld nickte abermals und schaute Paul verschwörerisch an.
    Doch der blieb skeptisch. »Wären die Fälschungen nicht bei der ersten Gelegenheit erkannt worden?«
    Bedächtig schüttelte der Reporter den Kopf. »Niemand hat damit gerechnet, dass die Dürer-Originale ausgetauscht werden sollten – folglich hätte für einen gewissen Zeitraum auch niemand so genau hingesehen, um die Bilder als Fälschungen enttarnen zu können. So, wie ich die Sache sehe, wäre der Bluff wahrscheinlich erst dann aufgeflogen, wenn die Bilder zurück an ihre Heimatmuseen geliefert worden wären.«
    »Densdorf hatte sich sein Team also mit Bedacht ausgewählt«, sah Paul ein und nahm einen Schluck Bier. Doch dann erkannte er einen Widerspruch. Er wischte sich den Schaum vom Mund und sagte: »Densdorf und die Karczenko waren doch zutiefst zerstritten. Wie passt das mit Ihrer Theorie zusammen?«
    Blohfeld lachte. »Sie glauben wohl auch noch an den Osterhasen, was?«

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