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Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse

Titel: Paul Flemming 01 - Dürers Mätresse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinssen
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Paul als Schreibtisch diente. Er hob einen Stoß Rechnungen auf. Darunter lag ein zerknittertes DIN-A3-Blatt. Er drehte es zu sich herum und brachte es in die richtige Position. Paul trat dazu und betrachtete die Skizze.
    Die beiden Augen starrten sie an. Es waren die Augen eines sehr selbstsicheren Menschen. Paul konnte noch immer nicht sagen, ob er in die Pupillen eines Mannes oder einer Frau blickte, geschweige denn, ob es diejenigen der Karczenko waren. Aber er wusste instinktiv, dass es sich um eine Person handelte, vor der er sich hüten – oder sogar Angst haben musste. Unangenehm berührt bemerkte er, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken herunterlief.

28
     
    Paul und Blohfeld waren schnell darin übereingekommen, dass Paul die Ergebnisse ihrer Überlegungen an Katinka herantragen sollte, während Blohfeld eine entsprechende Schlagzeilenstory für seine Zeitung vorbereiten wollte.
    Paul rief Katinka an, blieb am Telefon aber zurückhaltend und bestand auf einem persönlichen Treffen. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, ihren Gesichtsausdruck zu sehen, wenn er ihr seine und Blohfelds Erkenntnisse präsentierte. Da er Blohfeld mit keiner Silbe erwähnte, sagte Katinka zu. Nach der obligatorischen U-Bahnfahrt stand Paul keine zwanzig Minuten nach ihrem Telefonat in Katinkas Büro.
    Dieses Mal saß sie nicht abwartend und zurückhaltend hinter ihrem Schreibtisch, sondern hatte schon an der Tür auf ihn gewartet.
    »Ich bin neugierig«, sagte sie.
    »Du musst einen Haftbefehl erlassen. Sofort!«, sagte Paul ohne Einleitung und sichtlich aufgeregt.
    Katinka lächelte, aber es war deutlich zu erkennen, dass es kein geringschätziges Lächeln war, als sie sagte: »Jawoll, Herr Kommissar.«
    »Wir wissen jetzt, wer es gewesen ist. Und wir wissen auch, warum.«
    Katinka nickte und ging nun doch zu ihrem Schreibtisch.
    »Blohfeld hat eine Theorie entwickelt, die alle offenen Fragen klärt. Wir müssen die ganze Zeit über blind gewesen sein.«
    Katinka wandte sich einer Akte zu und klappte sie bedächtig auf.
    Als Katinka nicht reagierte, fragte er irritiert: »Willst du denn gar nicht wissen, von wem ich spreche?«
    Katinka zog mit zufriedener Geste ein Blatt Papier aus der Akte, augenscheinlich die Kopie eines hochoffiziellen Amtsschreibens. Paul erkannte sofort das Bayerische Staatswappen auf dem Kopf des Blattes und ganz am Ende des Textes Dienstsiegel und Unterschrift. Auch die oberste Zeile war aus seiner Position gut zu lesen: In großen Lettern stand dort das Wort Vorladung.
    Paul trat näher, und Katinka reichte ihm bereitwillig das Schriftstück. Es war auf den Namen Karczenko ausgestellt.
    »Woher …?«, Paul schaute Katinka verblüfft an.
    »Auch die Staatsanwaltschaft kann eins und eins zusammenzählen.« Große Erleichterung klang in ihrer Stimme mit, als sie berichtete: »Ich habe meinen Chef endlich davon überzeugen können, dass Gefahr im Verzug ist. Den Ausschlag dafür, dass er mir grünes Licht gegeben hat, haben aber nur in zweiter Linie die Morde gegeben.« Sie lächelte süffisant. »Erst als ich ihm sagte, dass womöglich einige von Dürers Meisterwerken gefährdet sind, ist er hellhörig geworden. Wir lassen jetzt von Sachverständigen prüfen, ob bereits ein Austausch von Originalen gegen Kopien stattgefunden hat – sehr dezent, versteht sich. Hattet ihr den gleichen Zusammenhang im Kopf?«
    »Ja«, Paul verstand: Die Angelegenheit sollte noch immer nicht an die große Glocke gehängt werden. Er mochte gar nicht daran denken, was Katinka sagen würde, wenn sie Blohfelds Artikel in der Zeitung lesen würde …
    Paul setzte sich auf die Kante des Schreibtisches und musterte Katinka nachdenklich. »Trotzdem – es ist schon merkwürdig, dass wir alle gemeinsam tagelang im Trüben gefischt haben und jetzt plötzlich unabhängig voneinander die Erleuchtung gehabt haben«, meldete er letzte Zweifel an.
    Katinka grinste selbstbewusst. »So merkwürdig ist das wiederum auch nicht: Die Karczenko gehörte ja von Anfang an zum Kreis der Verdächtigen. Was mich letztendlich aufhorchen lassen hatte, war die Nachricht von einer Reise in die USA in zwei Tagen. Die Karczenko wollte dort an mehreren Universitäten als Gastdozentin vortragen – volle sechs Monate lang.«
    »Das macht sie zum jetzigen Zeitpunkt zwar verdächtig, kann aber andererseits eine lange geplante Vortragsreise gewesen sein.«
    »Das war es eben nicht!«, trumpfte Katinka auf. »Sie hat das Ganze erst in den letzten Wochen

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