Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
dich.«
»Ich auch an dich.«
»Ja.« Katinka zögerte, bevor sie weitersprach. »Aber – du weißt schon: Ich bin nicht der Typ für eine Wochenendbeziehung.«
Ja, das weiß ich. Und ich bin es ganz bestimmt auch nicht, dachte Paul. Es wäre nur aufrichtig gewesen, diese Gedanken auch auszusprechen. Doch Paul hatte einen Kloß im Hals.
»Ich will mich ja nicht gebetsmühlenartig wiederholen, aber: Warum ziehst du nicht auch nach Berlin?«, ergriff Katinka erneut das Wort. »Es ist nicht zu spät. Du musst nur über deinen Schatten springen.« Katinka schaffte es irgendwie, gleichzeitig hoffungsfroh und pessimistisch zu klingen.
»Damit hat es nichts zu tun«, sagte Paul gedämpft. »Ich will nicht nach Berlin. Das habe ich dir schon vor deiner Abreise gesagt, und meine Meinung ist immer noch die gleiche.«
Katinka schwieg einen Moment. Dann fragte sie: »Was soll denn die Alternative sein? Soll ich weiter brav darauf warten, dass du es dir eines Tages doch noch anders überlegst? – Oder spekulierst du darauf, dass ich nachgebe und zurück zu dir nach Nürnberg komme?«
»Ich spekuliere auf gar nichts«, sagte Paul ehrlich. »Aber schön wäre es.«
Katinka lachte in den Hörer, aber es war kein amüsiertes Lachen. Sie klang verärgert. »Hör mal gut zu, mein Lieber: Ich habe mir meinen Lebensstandard mit viel Mühe erarbeitet, wie du weißt. Ich habe Hannah allein großgezogen und mich nebenbei durchs Studium geschlagen, ohne jede Unterstützung von zuhause. Dann habe ich mich im Nürnberger Justizpalast durchgeboxt, in einer Männerdomäne. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Es war eine Plackerei, und jetzt möchte ich auch die Früchte ernten. Hier im Ministerium stehen mir viele Türen offen. Das ist die Karriere, auf die ich so lange Zeit hingearbeitet habe, Paul. So etwas wirft man nicht einfach weg.«
Nicht zum ersten Mal kam sich Paul wie ein bloßes Anhängsel seiner großen Liebe vor. Sein eigener Job verblasste neben Katinkas Leistungen – und das zermürbte ihn.
Katinka schien seine Gedanken zu lesen, denn sie sagte: »Ich kenne deine Bedenken – und deine Verlustängste. Aber das habe ich dir schon in Nürnberg erklärt: In Berlin hast du als Fotograf ganz andere Chancen und Herausforderungen.« Dann fügte sie etwas spitz hinzu: »Und wenn es nichts wird, kannst du immer noch Hausmann und Privatier werden. Ich sehe jedenfalls nicht ein, warum immer nur wir Frauen zurückstecken sollen, wenn es um Job, Karriere und Ortswahl geht.«
Das traf ihn. Paul hätte Katinka seinerseits gern die Meinung gesagt. Aber nicht bevor er Argumente gefunden hatte, die ihm selbst überzeugend vorkamen. Denn in vielen Punkten hatte Katinka ja vollkommen recht.
»Können wir uns nicht einfach mal wieder sehen?«, fragte er schließlich.
Paul hörte Katinka unruhig atmen. Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. »Wenn du dich in den Flieger setzt, gern. Aber ich kann jetzt unmöglich aus Berlin fort. Zu viele Termine, Paul, leider.«
»Okay, dann werde ich zusehen, dass ich mir ein günstiges Ticket für einen Flug besorge«, schlug Paul vor. »Aber erst muss ich hier noch etwas zu Ende bringen.«
»Zu Ende bringen?« Katinka spielte die Naive.
»Du weißt, was ich meine«, sagte Paul ernst.
»Ja.« Katinka zögerte. »Ich hoffe, du bist mir nicht böse wegen meiner Einmischung.«
»Natürlich nicht«, sagte Paul kleinlaut. »Ohne dich säße ich jetzt im Gefängnis. Aber ich sage dir gleich: Ich kann meine Schuld bei dir nur in Naturalien ableisten.«
»Die nehme ich gern an«, entgegnete Katinka und klang nun gelöster. »Ich hätte da schon so einige Ideen.« Dann kam sie zurück auf Pauls Sorgen: »Wie genau willst du es denn zu Ende bringen?«
Paul erzählte ihr vorbehaltlos alles, was er bisher erlebt und erfahren hatte. Er versuchte, an möglichst jedes Detail zu denken, damit Katinka sich ein umfassendes Bild von seiner Situation machen konnte. »Wie siehst du meine Chancen?«, fragte er schließlich.
»Die Polizei ermittelt bisher in keine andere Richtung und zieht überhaupt keinen anderen Täter in Betracht als dich«, rekapitulierte Katinka. »Natürlich ist die Last der Indizien erdrückend. Gerade daraus entsteht aber der Eindruck, dass die Ermittler es sich zu einfach machen. Ich stoße mich massiv daran, dass sie dir einen Mord mitsamt Motiv anhängen wollen, wo doch offensichtlich ist, dass du – entschuldige bitte – sturzbetrunken warst. Nicht mal mehr fähig,
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