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Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Titel: Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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hatte auf der Treppe gelegen. Es war ausgestreckt gewesen und hatte bis zur zweiten Stufe hinauf gereicht. Das andere Bein hatte – mit offenbar verbogenem Fuß – weiter unten auf der ersten Stufe gelegen.
    Paul versuchte sich einen Reim auf die eigentümliche Körperhaltung zu machen. Das einzige, was ihm dazu einfiel, war, dass Beate rückwärts von der steinernen Treppe gestürzt war. Eine Erinnerung an diesen Vorfall hatte er aber nicht.
    »Wahrscheinlich wurde sie gestoßen«, sagte Jasmin, die seine Gedanken offenbar ahnte. »Aber das werden wir sehr bald definitiv wissen, nicht wahr, Herr Flemming?«
    »Möglicherweise«, nuschelte Paul und hob seine Kamera an. »Ich darf doch«, sagte er und fotografierte die Kapelle, ohne eine Erlaubnis durch Jasmin oder Stockinger abzuwarten.
    »Sind Sie dann fertig?«, fragte Stockinger, nachdem Paul seine Fotos gemacht hatte.
    Paul sah Jasmin an, die ihn wiederum mit fragenden Blicken bedrängte. »Ich denke schon«, sagte Paul unschlüssig.
    »Haben Sie denn gefunden, wonach Sie gesucht haben?«, erkundigte sich Stockinger, als sie den Rückweg durch den engen Gang antraten.
    »Nicht direkt«, antwortete Paul wahrheitsgemäß. Erst jetzt spürte er das ganze Ausmaß seiner Enttäuschung. Sein Gedächtnis war auch hier, am Schauplatz des Geschehens, nicht zurückgekehrt. Das große dunkle Loch in seinem Kopf war geblieben.
    Ihm wurde plötzlich schwindlig. Auf der Suche nach einer Sitzgelegenheit ließ er sich in einen Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht beängstigend ächzte. »Tut mir leid«, sagte er und vergrub sein Gesicht zwischen seinen Händen. »Ich brauche eine kleine Verschnaufpause. «
    Die beiden anderen schwiegen zunächst. Dann sagte Jasmin: »Ist dir bewusst, wo du da Platz genommen hast?«
    Paul schaute auf.
    »Das ist der Stuhl, auf dem die Verurteilten saßen«, sagte sie mit süffisantem Unterton. »Danach ging es zu Fuß zwei Kilometer weit bis zum Galgenhof. Unterwegs wurden die Leute beschimpft und bespuckt. Am Ende wollten sie nur noch sterben – freiwillig.«
    Paul war hundeelend zumute. Der Besuch in den finsteren Katakomben hatte ihm nichts gebracht. Er zweifelte stärker denn je an sich selbst und an seiner Urteilskraft. Vielleicht lag Jasmin mit ihren Anspielungen ja richtig: Paul saß nicht ohne Grund auf dem Stuhl des Sünders . . .
    Schließlich rappelte er sich auf, um gemeinsam mit den anderen das Lochgefängnis zu verlassen. Sie gingen schon auf das Treppenhaus zu, als Stockinger sie bremste.
    »Moment«, sagte er mit verhaltener Stimme. »Mir ist, als hätte ich da etwas gehört.«
    Paul und Jasmin sahen ihn gleichermaßen verwundert an. Hier unten herrschte im wahrsten Sinne des Wortes Grabesstille. Außer ihren Schritten und dem Knirschen der Steinchen, die unter ihren Sohlen zerbarsten, war nichts zu hören. Absolut nichts. Denn die dicken Wände schirmten die Geräusche der Außenwelt hermetisch ab.
    »Glauben Sie mir«, sagte Stockinger den kritischen Gesichtern seiner Begleiter zum Trotz. In seinen Augen war ein seltsames Funkeln zu erkennen. »Ich habe ein sehr gutes Gehör. Gute Augen und Ohren gehören dazu, wenn man in meinem Beruf erfolgreich sein will.«
    »Was haben Sie denn gehört?«, erkundigte sich Jasmin, klang aber nicht richtig überzeugt.
    »Ein Geräusch, das ganz sicher nicht in eine mittelalterliche Kulisse passt«, sagte Stockinger und wirkte mit einem Mal sehr entschlossen. »Folgen Sie mir«, sagte er und wandte sich zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Die anderen folgten ihm.
    Als sie tiefer in die verwinkelten Gänge eindrangen, hörten auch sie das verdächtige Geräusch. Ein feines Summen und Pfeifen. Es klang in Pauls Ohren wie ein defektes elektronisches Gerät.
    Stockinger eilte bis zur letzten der zwölf Gefangenenzellen und blieb dann keuchend stehen. Jetzt war das Geräusch für aller Ohren klar und deutlich zu hören. Ein knisterndes Surren. Hier war etwas ganz und gar nicht in Ordnung, dachte Paul. Stockinger zog eine dünne, aber effektive Stabtaschenlampe aus seiner Hosentasche und leuchtete in die zwölfte Zelle. Sie war an der hinteren Wand mit einer vergitterten Öffnung versehen, die ganz offensichtlich die Geräuschquelle barg.
    Neugierig näherten sich die drei und machten sich daran, das Gitter zu entfernen.
    »Was ist das für eine Öffnung?«, fragte Stockinger.
    »Keine Ahnung«, gab Jasmin zu. »Ich bin ja keine Stadtführerin. Wahrscheinlich ein

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