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Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg

Titel: Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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Es handelte sich um eine überschaubare Gruppe, bestehend aus Männern und Frauen, die größtenteils das Rentenalter erreicht hatten. Sie sahen von der Kleidung her bürgerlich-konservativ aus. Die Sprüche auf ihren Transparenten allerdings waren aus Pauls Sicht ziemlich radikal:
    »Den Franken, was Franken gebührt!«, las er. Auf einem anderen Plakat stand: »Stoppt den Kunst – und Kulturraub: Die Reichskleinodien müssen in Nürnberg bleiben!« Weitere Spruchbänder trugen ähnlich direkte Forderungen. Paul war erleichtert, als die Gruppe endlich an ihnen vorbeigezogen war.
    »Also gut«, forderte ihn Jasmin auf. »Packen wir‘s!«
    Gleich im Eingangsbereich liefen sie Stockinger, dem Sicherheitschef, über den Weg. Jasmin zückte kurz ihre Dienstmarke, woraufhin der hagere Österreicher zwei muskelbepackten Männern in schwarzen Anzügen mit einem Wink zu verstehen gab, dass die beiden Besucher kein Sicherheitsrisiko darstellten.
    »Was verschafft uns die Ehre?«, fragte Stockinger mit neugierigem Blick auf Pauls Fotokamera. »Ein weiteres Fotoshooting, diesmal mit Polizeischutz?«, mutmaßte er augenzwinkernd.
    Jasmin übernahm das Antworten. »Nein, wir sind nicht wegen der Ausstellung gekommen.«
    »Wir müssen dringend hinunter ins Lochgefängnis«, sagte Paul drängend.
    Stockinger ließ seine Blicke zwischen beiden hin – und hergleiten. »Aber das ist nicht möglich. Der gesamte Kellerbereich gehört zur Sicherheitszone.«
    Jasmin straffte die Schultern und sagte eindringlich: »Wichtige polizeiliche Nachermittlungen. Herr Flemming ist unser Kronzeuge im Mordfall Meinefeld und muss sich noch einmal am Tatort umsehen.«
    »Ach – es geht um den Mord an diesem Model«, sagte Stockinger. Er rieb sich das spitze Kinn. »Hat das nicht Zeit bis nach der Ausstellung?«
    »Mein lieber Herr Hofrat«, sagte Jasmin, wobei Paul sofort auffiel, dass diese Anrede Stockinger durchaus schmeichelte. »Die Aufklärung eines Mordes duldet keinen Aufschub.«
    »Nicht Hofrat«, korrigierte Stockinger sie, »Magister lautet mein Titel.« Dann besann er sich auf das Wesentliche und betonte: »Unser Sicherheitskonzept besagt, dass . . .«
    »Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit«, regte sich Jasmin auf. »Sie können uns ja begleiten, wenn Sie uns nicht trauen. Aber Herr Flemming und ich werden jetzt in das Lochgefängnis gehen, ob es Ihnen passt oder nicht.«
    »Also gut«, willigte Stockinger mit Leidensmiene ein. »Ich gehe voraus.«
    Paul sog die trockene, kühle Luft gierig ein, als würde er allein dadurch die erhoffte Erkenntnis erlangen. Gemeinsam mit Jasmin und Stockinger durchschritt er im schummrigen Licht einiger weniger Glühbirnen den engen Gang, der zu den Zellen des Lochgefängnisses führte. Die Wände bestanden aus großen roten Sandsteinquadern und wahrscheinlich nachträglich eingesetzten Ziegelsteinen, die teilweise unter aschgrauem Kalkputz verborgen waren. Sie bückten sich durch niedrige Türrahmen aus dunklem Holz hindurch, und schon nach wenigen Abzweigungen hatte Paul den Eindruck, sich in einem Labyrinth zu befinden. Er fand sich kaum zurecht, obwohl er doch erst vor kurzem hier gearbeitet hatte.
    »Diese Kellergewölbe wurden von meinen Vorgängern schon im 14. Jahrhundert genutzt«, erklärte Jasmin, wozu Stockinger interessiert nickte. »Die Reichsstadt hatte damals ein ehemaliges Brothaus zum Rathaus umgebaut. Weil das Rathaus gleichzeitig auch als Gerichtsstätte diente, wurden die Kellerräume zu den mittelalterlichen Lochgefängnissen umgewandelt.«
    »Mussten hier die Schwerverbrecher ihre lebenslange Haft absitzen?«, erkundigte sich Stockinger, als sie einen kahlen, kleinen Raum von etwa zwei mal zwei Metern passierten, der von einer wuchtigen vergitterten Tür verschlossen war.
    »Nein«, sagte Jasmin. »Es war eher eine Art Untersuchungsgefängnis. Nur dass die Untersuchungsmethoden damals etwas anders aussahen als heute«, ergänzte sie mit einem seltsamen Blick in Pauls Richtung. Stockinger bekam davon nichts mit, glücklicherweise, dachte Paul.
    »Und hier ist es«, sagte Jasmin, als sie auf der Schwelle zur Folterkammer standen, die wegen ihrer schlanken Höhe und der gewölbten Decke auch ehrfürchtig »Kapelle« genannt wurde. Der Raum war deutlich größer als die anderen Verliese. Paul schätzte seine Länge auf fünf Meter, die Breite auf drei und die Höhe auf knappe vier. Direkt hinter dem Türbogen führten sechs Stufen abwärts. Paul gegenüber, am anderen Ende der

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