Paul Flemming 04 - Die Meisterdiebe von Nürnberg
Hypothesen sind zumindest ungewöhnlich.«
»Rubach steht schon länger im Abseits«, sagte die Frau nun sehr offenherzig. »Er bräuchte dringend einen Erfolg – und der Entzug der Heiligen Lanze bedeutet für ihn quasi das wissenschaftliche Aus.«
Dann drehte sie sich abrupt um und ließ Paul und Jasmin stehen.
»Ein seltsames Verhalten«, sagte Jasmin. Dann grinste sie spöttisch: »Ich fühle mich heute mal wieder darin bestätigt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe.«
»Entscheidung?«, fragte Paul. »Entscheidung worüber?«
»Dass ich nach dem Studium nicht in die Forschung oder den Lehrbetrieb gegangen bin, sondern in die Praxis. Denn die haben hier offensichtlich alle eine Schraube locker.«
Paul schmunzelte, während sie aus der Halle gingen.
»Übrigens«, sagte Jasmin. Sie schaute zu Paul auf und stemmte dabei die Arme in ihre Hüften. »Ich erwarte nichts von dir.«
»Wie meinst du das?«, fragte Paul etwas ratlos.
»Na, wie schon? Für den Gefallen, um den du mich gebeten hast, brauchst du dich nicht zu revanchieren – es sei denn, du möchtest es gern.«
Paul blinzelte in die Frühlingssonne. »Ich werde mir etwas Passendes einfallen lassen. . .«
31
Als Paul an seiner Mokkabraunen im Flur vorbeikam, hätte er diesem vertrauten Gesicht am liebsten sein Herz ausgeschüttet. Denn als hätte er nicht schon genug um die Ohren, war er auf dem besten Wege, sich in Jasmin zu verlieben und sich damit in neue Schwierigkeiten zu stürzen.
Dass Jasmin eine Menge für ihn übrig hatte, war ja mehr als deutlich. Sicher war es schmeichelhaft für Paul, wenn sich eine deutlich jüngere und noch dazu ziemlich attraktive Frau in ihn verguckte. Aber konnte er das in seiner aktuellen Situation gebrauchen? Mal ganz abgesehen davon, dass sich seine Gefühle für Katinka trotz allem – noch – nicht abgekühlt hatten.
Paul sah die Mokkabraune fragend an. Aber diese blieb natürlich stumm.
»Wenigstens ein kleines Zeichen könntest du mir geben«, blaffte Paul das Poster an und ging in sein Atelier.
Das Lämpchen des Anrufbeantworters blinkte wieder. Paul kam sofort in den Sinn, dass Nadine Schneider noch einmal versucht hatte, ihn zu erreichen. Ob sie wieder Ärger mit ihrem Schlägerfreund Ken bekommen hatte?
Er hatte es jetzt eilig, die Abhörtaste zu betätigen.
»Mann, Flemming!« Das Gehäuse des Anrufbeantworters schepperte, weil Hannah so laut sprach. »Warum haben Sie denn Ihr Handy ausgeschaltet? Ich versuche seit Ewigkeiten, Sie zu erreichen.«
An den Hintergrundgeräuschen erkannte Paul, dass Hannah vom Norisring aus angerufen hatte.
»Ich muss Sie ganz, ganz dringend sprechen«, redete sie weiter. »Ich habe hier jemanden kennengelernt, der angeblich etwas über die Tote im Lochgefängnis weiß. Er glaubt, dass ihr Tod mit dem geplanten Einbruch zu tun hat. Wissen Sie, was das für Sie bedeuten könnte?«
Paul wusste das nur zu gut. Er fieberte darauf, was Hannah noch zu sagen hatte, und war mit seinem Ohr nun dicht am Lautsprecher des Anrufbeantworters.
»Der Typ ist Mechaniker im Rennstall von Stromberg, meinem Chef. Er ist etwas schmierig – und das nicht nur wegen des Getriebeöls. Aber einen Versuch ist es wert, man sollte sich seine Story anhören. Also, Flemming, wenn Sie dieses Band endlich abhören, schwingen Sie die Hufe und kommen Sie so schnell wie möglich zum Norisring!«
Den letzten Satz bekam Paul kaum noch mit, denn er hatte sich bereits den Renaultschlüssel geschnappt und war zur Tür gelaufen.
Paul stellte einen persönlichen Geschwindigkeitsrekord auf, um das Rennsportgelände am Dutzendteich möglichst schnell zu erreichen. Er fand einen freien Parkplatz am Rande des riesigen Areals und eilte dann zur Boxengasse.
Als hätte sie die ganze Zeit auf ihn gewartet, ging Hannah in ihrem schrillen Nummerngirl-Trikot vor dem Stromberg-Camp auf und ab.
»Da sind Sie ja!« Sie wirkte angespannt.
»Das Rennen beginnt doch erst in ein paar Tagen«, sagte Paul, »warum läufst du jetzt schon ständig in diesem albernen Aufzug herum?«
Hannah funkelte ihn verärgert an. »Es gibt vorab schon jede Menge Fototermine. Außerdem: Geht es hier eigentlich darum, meinen Hals zu retten oder Ihren? Warum zum Teufel sind Sie nicht erreichbar?«
Paul hob beschwichtigend seine Hände. »Du weißt ja, dass ich nie daran denke, den Akku meines Handys zu laden. Entschuldige, dass du warten musstest.«
»Sie können von Glück sagen, dass Schumi noch da
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