Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
grünschwarz karierter Jacke tauchte rechts im Bild auf. Winzig zwar, doch bei genauerem Hinsehen ein störender Fremdkörper, den Paul ebenfalls entfernen musste. Für diese Tüftelarbeit jedoch fehlte ihm heute schlichtweg die Energie.
Stattdessen gönnte er sich einen stressfreien Resttag in der Stadt, schlenderte die Breite Gasse und die Karolinenstraße entlang und leistete sich ein neues Paar Schuhe, drei T-Shirts und eine Dreiviertelhose. Nach einem Caffè Latte und einem Bagel, den er im Freien mit Blick auf den Weißen Turm genoss, kehrte er erst am späten Nachmittag zurück in sein Loft.
Als sich das schlechte Gewissen wegen des komplett arbeitsfreien Tages meldete und er sich doch noch an seinen Arbeitstisch setzen wollte, stieß er zufällig auf den Flyer, den ihm das Fotomodell vom Salatfeld in die Hand gedrückt hatte - die Einladung zum Fest der Dorfjugend.
Paul prüfte das Datum: Die Fete sollte heute Abend steigen. Sofort hatte er Jasmins Worte und ihre Anspielungen auf die Drogenszene im Ohr. Konnte Frieda nicht auf einer solchen Party mit einem Dealer in Kontakt gekommen sein? Spontan entschloss er sich dazu, die Einladung anzunehmen und sich bei dieser Gelegenheit ein bisschen umzuhören.
Als er in seinem Schlafzimmer vorm Kleiderschrank stand und eine geeignete lässige Garderobe zusammenstellte, musste er beim prüfenden Blick in den Spiegel feststellen, dass er - kritisch betrachtet - alles in allem ziemlich alt aussah. So wie er sich selbst wahrnahm, würde er bei der Dorf jugendfeier auffallen wie ein bunter Hund, und man würde ihn für den Vater eines der Gäste halten. Keine angenehme Vorstellung. Also musste er sich entweder über Gebühr stylen, die Haare gelen und die Falten mit einer großen Sonnenbrille kaschieren - oder aber er musste mit einer jungen Begleitung auftauchen, die seine Anwesenheit als reifer Freund quasi legitimierte. Da gab es nur eine, die diese Rolle kurzfristig übernehmen konnte ...
Hannah, Katinkas ebenso eigenwillige wie inzwischen eigenständige Tochter, ließ sich nicht zweimal bitten, denn sie hatte an diesem Abend sowieso nichts vor, und die Aussicht auf ein paar von Paul spendierte Drinks machte ihr die Entscheidung leicht. Ihre Kleidungswahl war auf enge Bluejeans, eine seidenleichte Bluse und Stiefeletten gefallen. Paul hingegen hatte sich nach langem Hin und Her für ein einheitlich schwarzes Outfit entschieden, das mit seinem dunklen Haar und Teint harmonierte und ihm, wie er meinte, am besten stand.
Die Party-Zone entpuppte sich als schlichte Scheune am Almoshofer Ortsrand, die mit ein paar farbigen Strahlern aufgehübscht worden war. Da sämtliche Gerätschaften ausgeräumt worden waren, bot sie reichlich Platz, der auch benötigt wurde, denn sehr viele Jugendliche waren der Einladung gefolgt. Paul tippte, dass wohl nur die wenigsten auf den Flyer angesprungen waren, sondern die meisten heutzutage durch Facebook oder ähnliches auf eine so abgelegene Location aufmerksam wurden.
Auf einem provisorisch zusammengezimmerten Podest legte ein halbwüchsiger DJ in schneller Folge diverse CDs auf, während auf der gegenüberliegenden Seite das Bier aus selbstkühlenden Fässern sprudelte. Gleich daneben stand - von Hannah sofort erspäht - die Cocktailbar.
Sie hakte sich bei Paul ein, um den Anschein zu wahren, und strebte mit ihm auf die Bar zu, die aus der Nähe betrachtet ebenso schludrig aus Holzbrettern zusammengesetzt worden war wie die kleine Bühne.
»Ich lass’ mir einen ›Hugo‹ mixen«, wusste Hannah, noch ehe sie die mit Kreide auf eine abgebrochene Tafel gekritzelte und kaum leserliche Getränkekarte angesehen hatte.
»Einen ›Hugo‹?«
»Ja! Prosecco, Holunderblütensirup, Eiswürfel und ein Minzeblatt. Total lecker und megahipp. Und nun geh mal schön ermitteln«, verteilte sie die Rollen und gab Paul damit zu verstehen, dass er sich unters Volk mischen sollte. Zuvor aber streckte sie die Hand aus, in die Paul mit leicht gequältem Gesicht einen 20-Euro-Schein legte.
Es ging gerade erst auf 21 Uhr zu, draußen war es noch taghell, und trotzdem herrschte in der Scheune schon jetzt eine ausgelassene Stimmung wie in einer Disco normalerweise erst nach Mitternacht. Als Paul sich unter den fast dreißig Jahre jüngeren Partygängern umsah, fiel ihm bald eine gewisse Aggressivität unter den jungen Männern und eine allzu offen zur Schau getragene Laszivität der Frauen auf. War man so in diesem Alter? Oder lag das am Alkohol,
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