Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
Blohfeld diese ungemein vertraulichen Informationen bekommen haben? Du bist der einzige Insider außerhalb der Ermittlungsbehörde weit und breit.«
Darauf wusste Paul keine Antwort zu geben. Noch nicht.
14
Paul schlief ausgesprochen schlecht, weil ihn der Zoff mit Katinka bis tief in die Nacht verfolgt hatte. Da er sie nicht hatte überreden können, bei ihm am Weinmarkt zu übernachten, hatte sich keine Gelegenheit mehr ergeben, die Sache aus der Welt zu schaffen. Das wäre ohnehin schwer gewesen, denn Paul hatte schlichtweg keine Ahnung, weshalb und durch wen Victor Blohfeld derzeit so überaus gut informiert war. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte auch Paul sich selbst für den Verräter halten müssen.
Früh um acht weckte er seine Lebensgeister mit zwei starken Tassen Kaffee, schnappte sich seine Kameraausrüstung und legte den kurzen, abschüssigen Weg zum Hauptmarkt zurück.
Auf dem nahezu quadratischen Platz, der von schlichten Wohn- und Geschäftshäusern aus den 1950er Jahren, dem Neuen Rathaus und der gotischen Frauenkirche umrahmt wurde und den der prächtige Schöne Brunnen als Treffpunkt und Touristenmagnet dominierte, herrschte rege Betriebsamkeit. Es war Markttag, was bedeutete, dass Landwirte, Bäcker, Metzger, Blumenhändler und Feinkostanbieter aus dem nahen und ferneren Umland ihre Verkaufswagen, Stände und Zelte auf das schwarze Kopfsteinpflaster gestellt hatten. Fein säuberlich in Reih und Glied, die meisten Stände mit den in der Marktordnung vorgeschriebenen weiß-roten Markisen oder Schirmen ausgestattet.
Paul schlenderte durch die engen Gassen, sah in den Auslagen erdverkrustete Kartoffeln, knackige Salate, erntefrisches Gemüse und Obst, Butter aus dem Fass, eine große Auswahl an Käsesorten, Wurst und Schinken, ofenfrisches Brot, Brötchen und Gebäck, Säfte, Bier und Wein, Eier, Marmelade, Honig, Nudeln und ein Meer aus farbenprächtigen Gladiolen. Im Vorbeigehen fing er die Rufe der Händler auf, die auf Deutsch mit türkischen, italienischen und osteuropäischen Akzenten ihre Waren feilboten, zwischendurch auch immer wieder in ausgeprägtem Fränkisch.
Pauls Ziel lag in Reihe drei an einem attraktiven Eckplatz direkt gegenüber der Traditionsbuchhandlung Korn & Berg. Deuerlein hielt schon nach ihm Ausschau und kam ihm mit ausgebreiteten Armen entgegen.
»Fein, dass Sie da sind!«, rief er. »Das Wetter hat sich gehalten, Gott sei’ s gedankt.« Er wies auf die Auslage in seinem Marktwagen, dem größten und modernsten, soweit Paul das beurteilen konnte. »Wir haben alles dabei, was bei uns angebaut wird«, sagte er mit Blick auf die Berge von makellos gediehenem Obst und Gemüse. Etwas leiser fügte er hinzu: »Ich habe heute unsere Hübschesten für den Verkauf ausgesucht. Machen sich gut auf den Fotos.« Er zwinkerte ihm verschwörerisch zu, woraufhin Paul die beiden wirklich attraktiven Damen hinterm Verkaufstresen anlächelte, die eine mit mediterranem Teint, nussbraunen Augen und samtglänzenden Haaren, die andere blond und vornehm blass mit kirschroten Lippen.
Paul stellte sich ihnen vor und erteilte ihnen einige Anweisungen für seine Aufnahmen. Daran, dass beide Frauen sofort wie einstudiert wirkende Posen einnahmen und gekonnt ihre Mimik spielen ließen, erkannte Paul, dass er es nicht mit Anfängern zu tun hatte. Deuerlein war eben ein Profi und überließ nichts dem Zufall.
Paul fertigte Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln an, mit und ohne Blitzlicht, gestellte Bilder ebenso wie Momentaufnahmen realer Kundenkontakte. Während er Blenden und Belichtungszeiten veränderte, Objektive wechselte und sein Stativ verstellte, wich ihm Deuerlein nicht von der Seite. Er verfolgte jeden von Pauls Handgriffen und machte ihn damit ein wenig nervös. Paul ahnte mittlerweile, dass er es bei Deuerlein mit einem Perfektionisten zu tun hatte, und fragte sich zweifelnd, ob er sich mit diesem Job einen Gefallen getan hatte.
Paul hatte die beiden hübschen Verkäuferinnen gerade aus dem Wagen gebeten und wollte sie links und rechts von einer Tomatenpyramide positionieren, als er auf das Dröhnen eines Motors aufmerksam wurde.
Motorengeräusche an sich waren am Markt nichts Ungewöhnliches, denn Zulieferer, Taxis und die Bimmelbahn für Stadtrundfahrten kamen immer mal wieder vorbei. Dieser Motor aber lief hochtourig, wurde getreten und zur Höchstleistung getrieben. Paul sah sich nach der Quelle des Lärms um, Deuerlein und die beiden Frauen taten es ihm gleich.
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