Paul Flemming 07 - Die Paten vom Knoblauchsland
lassen, denn so etwas endet später vor Gericht allzu oft mit einem Verfahren wegen Falschaussage oder sogar Meineids.«
»Na, toll. Das bestärkt einen nicht gerade darin, seiner Bürgerpflicht nachzukommen«, meinte Paul, ließ sich die gute Frühstückslaune aber nicht verderben. Er stellte die Kaffeekanne ebenfalls aufs Tablett und holte zwei Tassen aus dem Schrank. Dabei summte er eine Melodie, die er jäh unterbrach, als Katinka mit Wucht auf das Sitzkissen hieb.
»Verdammt noch mal! Jetzt reicht’s!«, rief sie aufgebracht.
Paul ließ alles stehen und liegen und eilte zu ihr. Er sah, wie sie mit bebendem Zeigefinger auf einen reißerisch aufgemachten Artikel auf der ersten Lokalseite der Zeitung zeigte.
»Bluttat im Knoblauchsland: Stolpert tatverdächtiger CSU-Politiker über ein verlorenes Haar?«, las Paul die Überschrift vor und suchte gleich darauf nach der Autorenzeile. Wie erwartet: Victor Blohfeld!
Katinkas Gesichtsfarbe war aschfahl, als sie Paul ansah und fragte: »Kannst du mir das erklären? Soll das munter so weitergehen? Wird dein Freund Blohfeld jeden noch so unausgegorenen Verdacht abdrucken, über den wir beide gesprochen haben?«
Die Fragen, die Katinka wie ein Trommelfeuer auf Paul abgeschossen hatte, standen noch im Raum, als beiden plötzlich wie aus dem Nichts eine Erkenntnis kam.
Paul hob die Brauen und blickte Katinka ahnungsvoll an. »Du vertraust mir doch, oder?«, fragte er bedeutungsvoll.
»Ja, auch wenn es manchmal schwerfällt und ich in den letzten Tagen echte Zweifel hatte: Natürlich vertraue ich dir. Das ist die Grundvoraussetzung für alles, was ich noch mit dir vorhabe.«
»Dann glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich Blohfeld - der im Übrigen nicht mein Freund ist - keinerlei Informationen zugespielt habe. Zumindest nicht wissentlich.«
Ein seltsamer Glanz trat in Katinkas Augen. Dann nickte sie, legte ihren Zeigefinger über ihre Lippen und zwinkerte Paul verschwörerisch zu.
Er verstand den Wink, woraufhin sich beide leise erhoben und begannen, das Atelier akribisch und lautlos nach etwas zu durchsuchen. Sie nahmen sich das Bücherregal vor, die Küche und Pauls Büroecke. Sie teilten sich auf und suchten getrennt voneinander im Bad, in der Dunkelkammer und im Flur weiter. Sie ließen sich Zeit und gingen sehr sorgfältig vor.
Nach einer knappen Stunde saßen sie wieder am Frühstückstisch. Katinka hielt eine winzige Platine in der Hand, auf die Transistoren, Widerstände, ein Chip und ein erbsengroßes Mikrofon gelötet worden waren.
»Ich habe sie hinter dem Bild dort an der Wand entdeckt«, wisperte ihm Katinka zu.
Bei dem Bild handelte es sich um die Aktaufnahme einer klassischen Schönheit mit Rubenskurven, die Paul vor etlichen Jahren angefertigt hatte. Wie er wusste, eines von Blohfelds Lieblingsfotos.
»Sollen wir?«, fragte Katinka, wartete Pauls Antwort aber gar nicht ab. Stattdessen hielt sie das Abhörgerät dicht vor ihren Mund und sprach laut und vernehmlich hinein: »Herr Blohfeld, wir haben Ihre Wanze entdeckt. Wenn Ihnen Ihr Leben in Freiheit lieb ist, kommen Sie sofort hierher. Haben Sie verstanden? Sofort!«
So reumütig hatte Paul den Reporter nie zuvor erlebt: Wie ein getretener Hund erschien er keine zehn Minuten nach Katinkas Ultimatum in Pauls Wohnung. Gebeugt, mit schlurfenden Schritten, die Augen auf den Boden gerichtet, tauchte Blohfeld auf, ließ sich ins Atelier führen, wählte den ungemütlichsten Platz auf einem abgewetzten Barhocker an Pauls Küchentheke - und schwieg.
Ganz im Gegensatz zu Katinka, die aus dem Vollen schöpfen konnte, als sie eine Kaskade der Vorwürfe losließ: »Ist Ihnen bewusst, wie vieler Vergehen Sie sich schuldig gemacht haben, Herr Blohfeld? Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll! Bei Einbruch vielleicht? Denn wie sonst haben Sie die Lauschanlage in Herrn Flemmings Wohnung platzieren können? Dann die Wanze an sich: Das Abhören von Privatpersonen ist verboten, das von Amtspersonen wie mir erst recht. Sie haben vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gebracht und damit die Arbeit der Justiz behindert. Sie haben ...«
Weiter kam sie nicht, denn Blohfeld tauchte aus der Versenkung auf und sagte leise: »Entschuldigung.«
Pauls Unterkiefer klappte herunter. Hatte Blohfeld, die abgebrühte Hyäne, sich tatsächlich entschuldigt?
Katinka schien ebenso aus dem Konzept zu sein, doch sie fing sich schnell wieder. Sie hielt ihm die Platine vor die Nase: »Solche Apparate sind
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