Paul sucht eine Frau
sie ihn aus dem Bett. Wie ein Bulldozer. Auf seine Beteuerungen, er könnte das Übersetzen in den Rollstuhl allein versuchen, hört sie nicht.
»Keine Angst, ich weiß, was ich tue. Ich hab schon Heben und Tragen gelernt, da warst du noch nicht mal geboren.«
Abends assistiert sie ihm bei der Körperhygenie, ohne dass Paul das eigentlich will. Nach einer Woche kann Paul das Vorsprechen der Bewerberinnen kaum noch erwarten.
Doch am großen Tag beginnt das Drama bereits, bevor die erste Bewerberin bei Paul ankommt. Nico hat sich nicht davon abbringen lassen, auch diesmal Paul zur Seite zu stehen. Jetzt befinden Nico und Jenny sich neben Paul vor dessen Kleiderschrank und Nico behauptet, dass Paul unbedingt sein Hemd wechseln müsse.
»Du siehst aus wie einer von der Jungen Union. Zeig mal, was du noch im Schrank hast. Keine Angst, wir kriegen dich schon zum Checker.«
Und nachdem Nico ihm ein hässliches knallgelbes T-Shirt aufgedrängt hat, das Paul seit Jahren nicht mehr getragen hat, landen sie im Bad. Nico verlangt von Jenny, dass sie Pauls Frisur mit Haargel »aufpimpen« soll. Leider hört sie auf ihn.
»Fast wie ein richtiger Mensch«, verkündet Nico begeistert. »Jetzt gib ihm noch was von meinem Spezialstoff drauf.«
»Was?«, ruft Paul. Er weiß zwar nicht, um was für einen Stoff es sich handelt, aber er befürchtet das Schlimmste.
Jenny geht zum Rucksack, der an Nicos Rollstuhl hängt, und holt eine Flasche Motorenöl hervor.
»Oh, nein«, sagt Paul, auch wenn er auf den zweiten Blick erkennt, dass es sich um ein Parfüm handelt, das lediglich in ein altmodisches Öl-Fläschchen abgefüllt ist.
»Was ist das denn!«
»Das ist die absolute Geheimwaffe«, sagt Nico.
»Halt«, sagt Paul zu Jenny. Er versucht sich noch zu wehren und hebt die Arme zu seinem Schutz vor seinen Hals. Doch zu spät: Eine Dieselwolke legt sich um seinen Kopf.
»Jetzt riechst du wie ein frisch geölter Motor. Das bringt die Weiber auf Touren. Vertrau mir.«
»Musst du alles machen, was er dir sagt?«, fragt Paul Jenny.
Sie zuckt mit den Achseln. »Was soll ich machen. Er ist mein Auftraggeber. Außerdem riecht das Zeug wirklich ganz sexy. Wie frisches Holz.«
»Siehst du«, sagt Nico. »Sie ist meine Arme und Beine. Aber mach dir nichts draus – für dich finden wir auch noch ein paar schöne Beine.«
Es dauert nicht lang, bis die Bewerberinnen eintreffen und nacheinander von Jenny in die Küche geführt werden. Dort sitzen Paul und Nico beide hinter dem Küchentisch, während die jeweilige Bewerberin vor ihnen auf einem Stuhl platz nimmt. Paul kommt sich vor, wie ein Juror in einer Casting-Show. Bleibt zu hoffen, dass sich Nico nicht aufführt wie Dieter Bohlen.
Die erste Bewerberin ist eine resolute Frau, Erna, 59 Jahre alt. Weder Nico noch Paul kommen dazu, ihr eine Frage zu stellen. Erna erzählt auch so: »Früher habe ich als Köchin im Altersheim gearbeitet. Im Altersheim, da gab es schließlich auch Rollstühle, verstehen Sie? Ja und jetzt. Na ja, es ist heutzutage nicht mehr so leicht, einen Job zu finden. Die Wirtschaftskrise, Sie wissen ja, wie das ist. Vor allem in meinem Alter. Aber Sie werden sehr zufrieden mit mir sein. Ich kann Kasseler, Sauerbraten und Rippchen mit Kraut. Oder Eintopf. Auch alles püriert, ist kein Problem. Mein Mann hat immer gesagt, nun ja Ex-Mann ...«
Die nächste Bewerberin ist zweiundzwanzig und blond. Sie trägt ein enges Top und einen kurzen Rock.
»Also ich hab so einen Job noch nie gemacht. Aber als ich in der Annonce gesehen hab, wie viel man da verdient ...«
Paul stützt seine Ellbogen auf dem Tisch ab und hat seinen Kopf in seine Handflächen gelegt. Wie verzaubert hängt er an ihren Lippen.
»Sag mal«, schaltet Nico sich plötzlich ein. »Wie viel hat eigentlich der Ring an deinem Finger gekostet?«
»Der Ring? Der ist voll schön, nicht? Hat mir mein Freund zur Verlobung geschenkt. Der ist so lieb.«
Nico sieht zu Paul und macht eine Handbewegung vor seinem Hals, wie um zu sagen: Gestorben.
Paul legt den Kopf zur Seite. Ehrlich?
Die dritte Bewerberin ist ein attraktives Mädchen Ende zwanzig mit einem breiten Lächeln. Eine natürliche Schönheit.
Nico und Paul tauschen Blicke aus. Diesmal nickt Nico zustimmend.
»Genau deine Kragenweite«, flüstert er Paul zu.
Die Bewerberin blickt etwas irritiert. Wahrscheinlich wartet sie darauf, dass ihr jemand eine Frage stellt. Doch stattdessen greift Nico zu einer Schüssel, die vor ihm auf dem Tisch steht,
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