Paul sucht eine Frau
selbst, wie einfach es ihm bei Lara fällt, den Mund aufzumachen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass er nichts von ihr will. Eine Frau, die in ihm einen Krüppel sieht, kann ihm gestohlen bleiben.
»Nein, hab ich nicht«, sagt Lara.
»Ah ja«, sagt Paul. Wenigstens wird das eine kurze Befragung. »Und warum willst das dann machen, Schwerbehinderten-Assistenz?«
»Ich bin jung und brauche das Geld.«
Sie lächelt, was Paul natürlich nicht erwidert.
»Nein«, sagt sie dann. »Eigentlich will ich Filmemacherin werden.«
»Filmemacherin?«
Das wird ja immer besser.
»Genau. Ich hab Soziologie studiert, weil ich was mit Menschen machen wollte. Aber gut ... dass es keine Jobs für Soziologen gibt, das war mir schon während des Studiums klar. Deswegen hab ich mich irgendwann entschlossen, meinem Kindheitstraum nachzugehen und Dokumentarfilme zu drehen.«
»Aha.«
»Soziologie?«, sagt Nico. »Interessant. Der Paul hier ist auch so ein Hirnakrobat. Schreibt gerade eine Doktorarbeit über Affen.«
»Grüne Meerkatzen«, verbessert Paul.
Nico zuckt mit den Schultern. »Auch nicht besser.«
»Seien wir mal ehrlich, was ist mehr Soziologe, als einen Dokumentarfilm zu drehen«, sagt Lara. »Näher heran komme ich nicht an meine Mitmenschen, als wenn ich sie wochenlang mit der Kamera begleite. Leider ist es schwierig, ein richtiges Thema zu finden, eine Hauptfigur, mit der die Empathie der Zuschauer geweckt wird. Die sie bei ihren tiefsten Emotionen packt. Deswegen ist mir die Anzeige sofort ins Auge gesprungen. Für meinen neuen Film suche ich einen Protagonisten, der ein hartes Leben hat. Der am Boden ist und trotzdem irgendwie weitermacht. Obwohl eigentlich alles aussichtslos ist, weil er eine Behinderung hat, durch die sein ganzes Leben zerstört ist. Und wenn du sogar studierst, das finde ich super. Das zeigt, wie hart du kämpfst.«
»So, so.«
»Ja. Der Hauptdarsteller könntest du sein, Paul.« Sie macht eine kurze Pause. Dann sagt sie: »Also – natürlich nur, wenn du mich einstellst und mir erlaubst, meine Kamera zur Arbeit mitzubringen. Was meinst du?«
Träum weiter, Mädchen.
»Nein«, sagt er und Nico ruft, beinahe synchron: »Klar, natürlich!«
Paul und Nico blicken sich überrascht an.
»Also, das geht nun wirklich nicht«, sagt Paul.
»Quatsch. Hör nicht auf ihn. Er macht nur Spaß«, sagt Nico. Und an Paul gewandt: »Wen willst du denn sonst einstellen? Die Sportliche? Oder die nette Tonne?«
»Scheiße«, sagt Paul.
»Also ich freu mich auf den Film«, sagt Nico. »Dann hab ich einen Kumpel, der berühmt ist.«
Nico sieht wieder zu Lara. »Krieg ich eigentlich auch eine Rolle?«
»Also berühmt wird man beim Dokumentarfilm normalerweise nicht. Und richtige Rollen , wie beim Spielfilm gibt es auch nicht ...«
»Macht ja nichts«, sagt Nico. »Komm schon Paul, sag ja.«
* * *
Wieder stehen Paul und Nico im Flur. Wieder schlägt die Tür zu.
»Sag mal, bist du bescheuert?«
»Was denn, Paul? Du hast gar keine andere Wahl, als sie einzustellen. Außerdem weiß ich gar nicht, was du hast: Sie sieht doch super aus.«
»Ja, klar. Und sie hält uns für bemitleidenswerte Krüppel.«
»Wenn du sie einstellst, hast du viel Zeit, sie eines Besseren zu belehren. Gib's zu: Sie hatte wirklich einen süßen Arsch.«
»Sehr witzig.«
»Was denn? Ich hab doch gesehen, wie du ihr hinterher gesehen hast, als sie zur Tür raus ist.«
»Alter, die Verrückte will hier jeden Tag mit einer Kamera auflaufen! Hast du schon mal darüber nachgedacht, was die Krankenkasse mit Betrügern macht? Was meinst du, was los ist, wenn der Film am Ende tatsächlich öffentlich gezeigt wird?«
»Ach, Quatsch.«
»Ich kann sie nicht einstellen, das geht nicht!«
»Aber der Arsch war wirklich super. Das musst du doch zugeben!«
* * *
Kaum sind Jenny und Nico aus dem Haus taucht Martha bei Paul auf. Sie hat ihre eigenen Lieblingszäpfchen mitgebracht. Weil sie behauptet, dass Paul immer so lange braucht auf der Toilette.
Am nächsten Morgen ruft Paul nicht gleich bei Frau Müller an. Martha ist schließlich schon wieder in seiner Wohnung. Als sie nach drei Stunden endlich geht, ist es kurz nach halb zehn und Paul greift sofort zum Telefonhörer.
»War denn wirklich keine einzige Bewerberin dabei, mit der Sie es versuchen würden?«, fragt Frau Müller.
»Leider ...«, sagt Paul.
»Hätte ich mir denken können, dass es schwierig wird mit Ihnen. Wo Sie von Nico zu uns gebracht
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