Paul sucht eine Frau
wurden.«
Sie lacht, aber es klingt nicht so, als würde sie das lustig finden.
»Ich kann Ihnen Martha nicht ewig zur Verfügung stellen. Da brauchen wir noch ein oder zwei Springer, bis Sie jemand Neues gefunden haben. Das müssten dann auch Männer ...«
»Wegen Martha. Von mir aus können wir sie auch komplett austauschen.«
»Ha!«
Das war jetzt definitiv kein Freudenschrei.
»Wie stellen Sie sich das vor, Herr Altenburg? Wir haben zurzeit keine weibliche Mitarbeiterin, die ähnlich flexibel ist wie Martha. Aber auch sie braucht mal einen freien Tag.«
Ginge es nach Paul, könnte Martha gleich ein freies Jahr bekommen. Eigentlich wäre jetzt die Zeit gekommen, um zu sagen, dass seine Schmerzen doch nicht so schlimm sind. Den ganzen Betrug rückgängig machen, bevor es zu spät ist.
»Mir ging es die letzten Tage eigentlich ganz gut«, stammelt Paul. »Vielleicht komme ich ein paar Tage ohne Assistenz aus. Also für's Erste.«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen!«
»Äh, nein.«
»Wie soll ich das gegenüber der Krankenkasse rechtfertigen? Sie sind Pflegestufe 2, Mensch! Ich kann Sie jetzt nicht einfach allein in Ihrer Wohnung versauern lassen!«
»Ach so«, sagt Paul kleinlaut. Wäre er mutig und selbstbewusst, dann würde er wenigstens versuchen, ihr zu widersprechen. Ist er aber nicht.
»Hören Sie ...« Frau Müller schlägt nun einen versöhnlicheren Tonfall an. »Vorhin hat eine junge Frau bei mir angerufen, die gestern bei Ihnen war. Lara. Macht eigentlich einen sehr soliden und netten Eindruck. Sie wollte von mir wissen, wie es mit der Stelle aussieht. Sie will den Job unbedingt machen. Aber das können nur Sie entscheiden.«
»Tja ...«
»Ich kann Ihnen natürlich auch morgen für zwei Tage einen neuen Springer vorbeischicken. Männlich. Und danach dann wieder Martha für fünf Tage. In der Zwischenzeit können Sie dann selbst nach einer möglichen Assistentin suchen.«
Wie soll er selbstständig nach einer Assistentin suchen? Dafür müsste er ja eine Frau ansprechen.
»Überlegen Sie es sich, Herr Altenburg. Wir wollen alle nur, dass Sie als Kunde bei uns glücklich werden, nicht wahr. Aber es liegt bei Ihnen – wie wollen wir jetzt weiter vorgehen?«
Oh, Mann! Immer diese Entscheidungen. Wahrscheinlich ist es mit dieser Lara immer noch besser als mit Martha. Aber wie wird er sie wieder los, wenn er seine Traumprinzessin findet?
Paul seufzt. Dann gibt er Frau Müller eine Antwort.
7
Die sechs Stunden tägliche Assistenz werden aufgeteilt. Morgens kommt Lara zwei Stunden vorbei, bis Paul zur Uni geht. Am Nachmittag und Abend ist Lara die restlichen vier Stunden bei Paul. Und das von Montag bis Samstag. Sonntags hat Lara frei und ein Springer kommt zum Einsatz. Aber Frau Müller ist gnädig. Sie schickt ihm am Wochenende nicht Martha vorbei, sondern Klaus.
»Der hat immerhin lange Haare«, hat Frau Müller gewitzelt.
Klaus ist eine Art Alt-Hippie – nur dass er dafür eigentlich zu jung ist. Anfang der Achtziger war Klaus einer der ersten Zivis bei Hilfe zum Leben . Damals wollte er noch studieren. Aber irgendwie war das, was er in der Zeit erlebt hat, genug für ihn. Mehr Ehrgeiz irgendetwas anderes im Leben zu erreichen, als Pflegehelfer, hatte er plötzlich nicht mehr. Oder um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: »Ich bin da irgendwie bei Urinbeuteln und Toilettenstühlen hängengeblieben.«
Klaus ist verpeilt, das merkt Paul gleich. Wahrscheinlich kifft er viel. Aber er macht nur die Arbeiten, die Paul von ihm verlangt. Schon nach dem ersten Treffen ist klar, dass Paul ganz gut mit ihm klarkommen kann. Und dass er sich mit ihm über umstrittene Themen unterhalten kann. Wie die Legalisierung von Cannabis, den Sinn oder Unsinn von Studentenprotesten und die besten Reinigungsmethoden für Wasserfilter.
Sowohl Klaus als auch Lara erhalten einen Schlüssel zu Pauls Wohnung. Der normale Arbeitstag für Lara beginnt um sieben Uhr. Sie kommt in seine Wohnung, sieht nach, ob er schon wach ist, fragt, ob sie ihm aus dem Bett helfen soll.
»Ne, ich glaub, heute versuch ich es mal alleine«, ist die typische Antwort.
Sie bereitet ihm das Frühstück vor, berät ihn beim Anziehen und sortiert das Chaos in der Wohnung.
»Wie hast du das früher alles ohne Hilfe geschafft?«
»Na ja, man wurschtelt sich halt so durch«, sagt Paul. Und das stimmt sogar irgendwie. Er kennt Typen, die im Rollstuhl sitzen und weniger beweglich sind als er und trotzdem keine Assistenz haben. Die
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