Paula geht
holte die Flasche, die sie extra für ihn gekauft hatte, aus dem Schrank und schenkte ihm ein Gläschen ein. Er hatte angefangen, die Steine einzeln herauszuklopfen, und war über und über mit rotem Staub bedeckt. Wann sie wohl jemals wieder eine saubere Wohnung haben würde, fragte sich Paula und schloss schnell die Küchentür.
Jacek schaute nach oben. „Kommt auch von Dach“, sagte er nebenbei.
„Was?“, schrie Paula.
Jacek sagte nochmal, als hätte sie ihn nicht gehört: „Wasser kommt auch von Loch in Dach.“
„Jacek, sag, dass das nicht wahr ist.“ Vor lauter Aufregung bekam sie einen Schluckauf. „Bitte, bitte nicht auch noch das Dach.“
Jacek legte ihr seine Pranke auf die Schulter und hinterließ einen rostroten Abdruck. „Erst wir gucken, dann du schreien.“
Paula trat gegen eine ihrer Kisten und brachte den Stapel verdächtig ins Schwanken. Ich fahr wieder heim, war ihr erster Gedanke. Doch dann fiel ihr auf, dass es kein Zuhause gab, in das sie hätte fliehen können. Das hier war alles, was sie hatte. Nein, so schnell würde sie sich nicht kleinkriegen lassen. Sie lief in die Küche und stürzte das erste Glas Glühwein hinunter, so dass sie sich die Zunge verbrannte.
Jacek winkte ihr, ihm die Treppe hoch zu folgen. Er zog die Klapptreppe, die gleichzeitig die Speichertür bildete, hinunter und stieg die wackeligen Holzstufen hoch. Hier war Paula nur einmal kurz am Anfang gewesen. Es gab hier sicher noch einige Schätze der alten Dame zu entdecken, aber sie hatte erst einmal unten genug zu tun. Jacek stieg über verschiedene Ansammlungen an wackeligen Schränkchen und Körbe mit vergilbter Wäsche. Paula trottete hinterher und betete, dass sie keine weitere schlimme Überraschung erwartete.
An der Stirnseite über der betroffenen Wohnzimmerwand konnte man in den Himmel schauen. Mehrere Ziegel fehlten und auch sonst gab es einige Pfützen auf dem undefinierbaren Bodenbelag. Ein Wunder, dass sie unten keine nassen Flecken auf der Decke hatte. Aber war sie sich da so sicher? Sie hatte das erste Stockwerk meist nur im dämmrigen Zustand gesehen oder war gleich ins Bett gegangen. Nein, über ihrem Bett gab es ganz sicher keinen nassen Fleck, das hätte sie doch beim Streichen gemerkt, oder nicht?
Jacek wiegte bedenklich den Kopf. „Reparieren schwierig, besser neu.“
Paula schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund. „Nein, Jacek. Das geht nicht. Wir müssen es reparieren, vielleicht in ein paar Jahren, aber jetzt nicht.“
Jacek nickte und deutete auf das ganze alte Gerümpel. „Alles muss raus. Wir decken große Folie, dann nix mehr kommt unten.“ Paula nickte ergeben und ging wieder nach unten.
Ralf und Sven waren inzwischen in der Küche angekommen und saßen vor dampfenden Glühweingläsern. Als Paula in die Küche kam, richteten sich zwei Augenpaare auf sie. Ihre Verzweiflung schien man zu riechen. Vorsichtig fragte Ralf: „Was ist los?“
„Das Dach“, sagte sie nur, „auch noch das Dach.“ Sie starrte vor sich hin und Ralf schob ihr ein Glas Glühwein hin. Sie leerte es in einem Zug.
„Ich muss den Speicher räumen, gut, dass der Sperrmüll noch nicht da war, da lohnt es sich wenigstens.“ Sie dachte daran, dass das Gerümpel im Vorgarten seit Wochen bei ihren Nachbarn für Ärger sorgte. Aber was konnte sie dafür, wenn hier der Sperrmülltermin aus Personalknappheit zweimal verschoben worden war?
Sven räusperte sich und sie hörte ihn die ersten Worte sprechen. „Ich kann Ihnen helfen. Vielleicht gibt es da das ein oder andere Möbelstück, das ich mitnehmen kann.“
Ralf erklärte ein wenig herablassend: „Sven macht aus altem Schrott interessante neue Möbelobjekte, er muss dir seine Sammlung mal zeigen.“
Sven wurde rot und winkte ab.
Paula sagte: „Super, wann können wir anfangen?“
Sven überlegte. „Ich komme morgen um zwölf Uhr in meiner Mittagspause und dann wieder gegen fünf Uhr, wenn ich fertig bin, in Ordnung?“
Paula blickte ihn dankbar an und fing dabei einen sonderbaren Blick von Ralf auf.
„Sag Bescheid, wenn du weitere Hilfe brauchst“, brummte er nur.
Paula schenkte sich noch einen Glühwein ein, die Welt begann zu schwanken und sie musste lachen und konnte gar nicht mehr aufhören. „Was für eine Schnapsidee. Was hat mich nur geritten, dass ich diese Bruchbude gekauft habe?“, prustete sie.
Erst sahen sie die drei erstaunt an. Jacek zuckte mit den Achseln, Ralf sagte: „Ich glaub, du hast genug Glühwein.“
Nur Sven
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