Paula geht
mindeste, womit sie Sven verwöhnen konnte. Pfeifend knetete sie den Pizzateig, bevor sie sich wieder der Großbaustelle im Wohnzimmer zuwandte. Sie konnte schon alles vor ihrem inneren Auge sehen: die tiefgelben Vorhänge, die sich im Wind bauschten, die kleine Bücherwand mit ihrer medizinischen Fachliteratur und den Neuerwerbungen, einschließlich der dicken Materia medica, die sie gebraucht und gut erhalten bei eBay ersteigert hatte. Die Sitzgruppe, eine Spielecke für die Kinder, damit sie in Ruhe mit den Müttern reden konnte, und ihr Schreibtisch aus Buchenholz, den sie schon immer gerne gemocht hatte.
Aber jetzt musste sie erst mal die Sache mit dem Dach geregelt bekommen. Eigentlich wollte Jacek heute vorbeischauen und ihr eine erste Einschätzung der Kosten geben. Sie seufzte tief. Da wäre wohl ein erneuter Bankbesuch fällig. Jetzt musste sie sich vor allen Dingen schleunigst einen Job suchen, obwohl sie mit den Arbeiten am Haus und ihrem Selbststudium absolut ausgelastet war. Viele Jobs gab es hier vor Ort sicher nicht. Die Busverbindung war bescheiden und ein Auto war einfach nicht drin. Sie würde Ralf fragen, vielleicht hatte er eine Idee.
Da klingelte es, Paula öffnete und sah Sven, wie er den kleinen Pepe kraulte, dem es dank der Wunderkügelchen wieder gut ging. „Danke für die Brötchen“, sagte er zur Begrüßung. Paula lächelte. Svens Haare standen in alle Richtungen, und kleine Holzstückchen und jede Menge Sägemehl hatten sich darin verfangen. Er sah ihren Blick, machte kehrt und staubte seinen Kopf draußen ab. Jetzt war seine Frisur noch wilder und Paula musste schon wieder lachen. „Alles gut, jetzt komm endlich rein.“
„He, du siehst auch nicht gerade modelreif aus heute.“ Paula schaute in den Spiegel, er stellte sich hinter sie und zwirbelte ihre Haare in zwei Pippilangstrumpfzöpfe. Ja, sie waren ein prima Paar, sie mit ihren Tapetenkleister-Schleimspuren im Gesicht. Plötzlich ließ er von ihr ab und trat verlegen zur Seite.
„Wollen wir noch eine Runde?“, fragte Paula, um das Schweigen zu brechen, das sich von einem Moment zum anderen zwischen ihnen auftürmte. Sichtlich dankbar lief Sven nach oben auf die Speichertreppe zu.
Paula schleppte das Gerümpel jeweils bis zur Stiege, Sven erledigte den Rest. Sie kamen zügig voran, so dass die alte Grubenleuchte, die Sven mit einem langen Kabel nach oben verlegt hatte, bald das volle Ausmaß der Zerstörung beleuchtete. Der Bodenbelag war durchweicht und ließ sich abziehen wie dicke Pappe. Darunter kam noch eine Schicht vergammelter Teppich zum Vorschein, den Sven mit kräftigen Schnitten in handhabbare Teile zerschnitt und abtransportierte. Der hatte zum Glück die meiste Feuchtigkeit abgehalten, so dass die Dielenböden nur leicht feucht waren. Paula holte einen Besen, um den Schmutz der Jahrzehnte zusammenzukehren.
„Da hast du nochmal Glück gehabt“, sagte Sven, „die Decke dürfte in Ordnung sein.“
Paula nickte erleichtert. „Tja, so ist das mit dem alten Haus hier. Zwei Hiobsbotschaften kommen auf eine gute. Mal sehen, was als Nächstes passiert, es bleibt spannend.“ Gemeinsam breiteten sie die große Folie auf dem Boden aus, um die Zimmerdecke vor weiterer Feuchtigkeit zu schützen.
„Ich finde, es ist ein gutes Haus. Warte nur, bald wirst du es nie wieder hergeben wollen.“
Paula kamen die Tränen, weil ihr Svens Zuversicht so guttat.
„He, du wolltest doch nicht aufgeben, oder?“
Paula schüttelte den Kopf und musste seinem Blick ausweichen, so warm glänzten die goldbraunen Augen. Sie straffte sich. „Lust auf eine Pizza, wenn du heute Abend noch nichts anderes vorhast?“
Sven zögerte und sah an sich hinunter.
„Du hast doch gesehen, dass ich auch nicht besser aussehe. Und wenn du willst, kannst du auch duschen, ich habe sogar warmes Wasser.“
„Wenn du auch so bleibst, ist alles ok. Mich stört es nicht. – Und ja, ich hab Lust auf Pizza. Ich muss nur kurz telefonieren.“
Nach einigen Minuten kam er wieder in die Küche. „Kann ich was helfen?“
„Nein, du setzt dich jetzt mal hin und lässt mich machen. Ich glaube, du hast genug gearbeitet für heute. Hab ich mich eigentlich schon bedankt? Ich glaube nicht. Also, vielen herzlichen Dank. Ohne deine Hilfe hätte ich da Tage rumgeräumt.“
Sven winkte ab, es schien ihm peinlich zu sein.
Paula reichte ihm ein Bier und öffnete sich selbst ein Radler. „Jetzt setz dich schon.“ Sie rollte den Pizzateig aus und bestrich ihn
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