Pauschaltourist
einem Last-Minute-Arrangement hier, richtig?« Wir nickten,
obwohl |268| das eine rhetorische Frage gewesen war. »Wenn ich Ihnen vorrechnen würde, was dabei noch für uns übrigbleibt, würden Sie meinen
Koch lieben.« Sein Lächeln wurde ein ganz kleines bisschen anzüglich, und eine schwache Erinnerung an Ninas ambulante Begattungsangebote
vom Vorabend kam mir in den Sinn.
Nach der dritten Wasserflasche probierte ich den Kaffee, der zwar inzwischen lauwarm war, mich aber tief beeindruckte. Die
Portugiesen hatten augenscheinlich ein Verfahren entwickelt, das eine dramatisch höhere Koffein-Konzentration erlaubte, jedenfalls
war ich nach der einen Tasse so wach wie zuletzt kurz nach meiner Geburt. Ich holte mir zwei weitere und spürte nach dem Genuss,
wie sich der Wunderstoff sogar bis in meine Zehennägel ausbreitete. Sofern noch Sackrattenkinder in meinem Schambereich auf
den richtigen Zeitpunkt zum Schlüpfen warteten, machte ich ihnen damit den endgültigen Garaus.
Ein Mann in einer lächerlichen gelben Uniform erschien und sah sich in dem kleinen Restaurant um, das auch als Frühstücksraum
diente. Da wir die einzigen Gäste waren, kam er zu uns. Nina hatte telefonisch einen Mietwagen bestellt.
Es war ein französisches Cabrio, froschgrün, brandneu und voll mit technischen Gimmicks. Als Nina herausgefunden hatte, wie
man die Kiste startete, dröhnte uns der portugiesische
Fado
mit siebentausend Dezibel, aber in phantastischer Qualität um die Ohren. Bis die Lautstärke endlich erfolgreich reduziert
war, hatten wir das Navigationssystem aktiviert, den Bordcomputer resettet, den Regensensor verstellt und somit das automatische
Dach drei Mal geöffnet und zwei Mal wieder geschlossen. Und dann ploppte auch noch der Zigarettenanzünder aus dem Schacht.
»Lustiges Auto«, sagte Nina, sah kurz zu mir und wieder nach vorn, und mit einem Reifenquietschen, das sogar den Fado-Fön
von kurz zuvor übertönt hätte, kachelten wir in Richtung Westen. Wir fuhren zunächst ein Stück ins Landesinnere, durch Vilamoura, |269| da die Landstraße leider nicht an der Küste verlief. Ich schaffte es, das Navi erneut zu aktivieren, brachte es sogar dazu,
sich in Deutsch statt in Portugiesisch bedienen zu lassen, und stellte dann das südwestliche Ende der Algarve als Ziel ein
– jenen Ort, der dem Bier seinen Namen gegeben hatte. Ich war aber sicher, dass es dort keine Brauerei geben würde. Möglich,
dass dieser Biereuphemismus überhaupt nicht in Portugal entstand, sondern importiert wurde – aus Burkina Faso, zum Beispiel.
Unser erster Zwischenstopp in Albufeira, dem bekanntesten Badeort der Küste, dauerte nur ein paar Minuten. Um eine bemerkenswert
kleine und jetzt gnadenlos überfüllte Badebucht herum – nur wenige Leute waren im Wasser – hatte man Hotels aus dem gleichen
Baukasten aufgestellt, aus dem auch Quarteiras Wohnsilos stammten. Es war nicht
nur
hässlich, verfügte über eine gewisse orwellsche Effektivität. Kaum vorstellbar, wie es hier aussähe, hätte es den Baustopp
seinerzeit nicht gegeben. Ich dachte an Gran Canaria und schüttelte mich.
Abseits der Küste war es grünbrauntrocken, dafür gab es – von Baustellen abgesehen – jede Menge Agaven, die aber nur zufällig
so ähnlich hießen wie die Region. Wir passierten eine bizarre Anlage, die eine Mischung aus Aquarium und Fischshow zu sein
schien, und auch das monströse Spaßbad, in dem Barbara heute ihr Vorstellungsgespräch hätte, tauchte irgendwann vor uns mitten
im Nichts auf, um – glücklicherweise – ebenso schnell wieder im Staub hinter uns zu verschwinden (der Tacho zeigte meistens
etwas um die hundertsechzig, häufig aber noch mehr an). Außerdem passierten wir Myriaden Hinweisschilder für Golfclubs und
noch mehr aufwendige Werbetafeln für Resorts und bewachte First-Class-Appartementdörfer. Zuweilen fuhren wir an verloren wirkenden
Cafés vorbei, oder an Bauten, die wie stillgelegte Industrieanlagen aussahen.
Wir durchquerten die seltsame Stadt Lagos, die einen wirklich herrlichen Strand mit einem noch herrlicheren Blick auf Hafenanlagen |270| und Zweckbauten besaß, suchten drei Badebuchten auf, die Hugo Marques notiert hatte und die trotz Klettertour hätten bezaubernd
sein können, wäre das Altantikwasser nicht so kalt gewesen, dass es meinen Schniedel fast nach innen schnappen ließ. Immerhin
war es beinahe einsam, und die meisten der wenigen Besucher schienen mit
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