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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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den Witz des Piloten erklärt hatte (davon, dass Flieger in dieser Hinsicht sehr eigen waren, hatte ich schon gehört). Aber
     weder er noch Nina schienen mich überhaupt wahrzunehmen.
    »Ich bin leider in Eile«, sagte der Mann und beendete das Händeschütteln. »Wie lange bleiben Sie?«
    »Eine Woche«, murmelte meine Kollegin.
    »Ich werde in zwei Tagen eine viertägige Pause in Hurghada haben. Vielleicht können wir mal miteinander essen gehen? Dabei
     könnte ich Ihnen ein paar Tricks gegen Flugangst verraten. Wie wär’s?« Er sah kurz zu mir, schließlich konnte er nicht wissen,
     in welchem Verhältnis Nina und ich standen. »Wir drei, Sie, ich und Ihr …?«
    »Kollege«, sagte ich rasch und suchte schnell einen möglichst geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck aufzusetzen. Bautschik strahlte.
    »Das wäre cool«, erklärte Nina und senkte den Blick.
    »Cool?«
, fragte ich grinsend, als der Mann außer Sichtweite war. Nina errötete ein bisschen und boxte mich in die Seite.
    »Na ja. Eben locker. Entspannt. Interessant.«
    »Du hast gerade zu einem gestandenen und nebenbei bemerkt ziemlich gut aussehenden Piloten gesagt, dass du es
cool
fändest, mit ihm essen zu gehen. Mit Verlaub, so was sagen sonst nur Siebzehn… nee, Zwölfjährige.«
    »Lass mich in Ruhe«, gab sie lächelnd zurück und steckte Bimbo noch ein Leckerli zu, bevor seine Box davongetragen wurde.
     »Komm, wir müssen zur Sicherheitskontrolle.«
    »Der hat mit dir geflirtet«, stellte ich auf dem Weg dorthin fest.
    |294| »So etwas soll es geben«, antwortete sie und rammte ihre Schulter gegen meine.
     
    Wir bekamen Plätze nebeneinander, aber der Gang lag zwischen uns – die meisten Passagiere hatten ihre Sitzplätze nämlich schon
     lange vorher per Internet gesichert, gegen gesalzene Extragebühren, versteht sich, wie für alles, was nicht unmittelbar zum
     Transfer gehörte. Für
Gepäck
beispiels- und interessanterweise. Hätte Nina nicht so neben sich gestanden, hätte sie sicher einen Riesenaufstand gemacht,
     als die Dame beim Check-in vierzig Euro für unsere verdammten Koffer verlangte. Wer zur Hölle flog schon ohne schweres Gepäck
     nach
Ägypten
? Aber meine Kollegin hatte es kaum bemerkt, und ich hatte die »Gebühr« rasch in bar abgelatzt. Plus eine ganze Menge obendrauf
     für Bimbos Flug.
    Auf meiner Fensterseite saß ein Pumperpärchen, das so lächerlich aussah, dass ich nach einer ersten Inaugenscheinnahme Blicke
     in diese Richtung vermied, um nicht loskichern zu müssen. Sie waren vielleicht um die vierzig, aber eigentlich war ihr Alter
     schwer zu schätzen. Er, ein glatzköpfiger Riese, hatte Oberarme vom Umfang eines LKW-Pneus und einen Brustkorb, in dem eine
     vierköpfige Familie Raum gefunden hätte; sein Oberkörper steckte in einem enganliegenden, schulterfreien Shirt dieses Herstellers,
     der auch bei Neonazis so beliebt war. Sein grimmiges Äußeres relativierte sich jedoch ein wenig durch einen affigen Schnurrbart,
     den er erst nach intensiver Sonnenbank- oder Selbstbräunernutzung auf die Hälfte der Länge gestutzt hatte, wodurch seine weiße
     Oberlippe strahlte, als hätte er zwei Bärte – ansonsten trug er kein einziges Haar an den sichtbaren Körperstellen. Der Muskelnazi
     stierte geradeaus und sortierte ununterbrochen seine Beine neu, weil für die baumdicken Stampfer und seine Riesenfüße einfach
     kein Platz war.
    Seine Uschi auf dem mittleren Platz hatte ledrige, borkenbraune Haut, die zugleich robust
und
brüchig wirkte. Ihre langen, ausgedünnten Haare glänzten in einem Schwarz, für das Gott |295| sicher nicht verantwortlich war, ihre Augenbrauen waren nur noch zweidimensional und irgendwie viel zu weit oben, dafür reichten
     ihre russischroten, mit schillernden Reliefs überzogenen Fingernägel fast bis zu den Füßen. Ich hatte mich schon oft gefragt,
     was das Überleben der wie Pilsener aus dem Tresen schießenden Nagelstudios sicherte – die Antwort saß neben mir. Ihre Muskeln
     waren stark ausformuliert, und wenn sie sich bewegte, um den Platzfindungsversuchen ihres Begleiters auszuweichen, musste
     ich angstvoll zwinkern, weil der eine oder andere Strang an ein Kondom kurz vor der Überfüllung erinnerte. Ich hätte meine
     geschorenen Hoden darauf verwettet, dass die Trine ein Arschgeweih trug.
     
    Als die Maschine über die Taxiways rollte, griff Nina über den Gang weg nach meiner Hand. Wir verharrten in dieser Position,
     bis das Flugzeug wieder seine Reiseflughöhe

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