Pauschaltourist
Schnellhochzeiten in Vegas oder irgendeine Familienkutsche mit Platz für die ganze Kelly
Family. Angela zwinkerte mir wissend, aber auch irgendwie lasziv zu, dann kam einer der blassen Bläser und hauchte kaum hörbar
die Aufforderung in die Runde, dass es Zeit für das zweite Set wäre. Er hielt eine portable Playstation in den Händen.
»Der ist ja süß!«, hauchte Nina in der Tonlage des Bläsers, als die drei verschwunden waren.
»Dabei war er, wenn ich mich recht erinnere, in der Schule sehr ruhig und ein bisschen kopflastig. Schon erstaunlich.«
»Menschen können sich ändern«, schmachtete meine Kollegin.
»Aber hallo«, erklärte ich und folgte Angelas Duftspur.
Die letzte Zugabe endete kurz nach Mitternacht, aber viele Gäste, darunter sogar einige gut durchgealterte, hatten noch nicht
genug. Henning & Band kamen für »Strangers In The Night« noch ein |67| allerletztes Mal auf die Bühne und kletterten nach einem langen Schlussapplaus direkt zu uns herunter. Henning hakte sich
bei Nina unter, dann saßen wir in der gleichen Formation an der Bar wie in der ersten Setpause. Die Musiker zogen ihre pinkfarbenen
Jacketts aus und wirkten dadurch einfach nur noch lässig. Der Kontrast zu den Urlaubern um uns herum war enorm.
»Ich hab das Abi später nachgeholt, quasi der Form halber«, erzählte der Bandleader, da hatte er Ninas linke schon in seiner
rechten Hand. Angela war mit ihrem Stuhl dicht an meinen herangerückt. Sie hatte braune Augen, die ein ganz klein wenig schiefzustehen
schienen, sehr dunkle schwarze Haare und wahnsinnig lange Beine, die meine Marejke-Medsger-Phantasien aufleben ließen. Nach
dem Auftritt hatte sie die obersten fünfunddreißig Knöpfe ihres schwarzen Hemdes geöffnet, weshalb ich sogar die Tiefe ihres
Bauchnabels schätzen konnte. Ihre Haut war tiefbraun, aber von einer viel intensiveren Farbe als Ninas Toasterteint. »Danach
hab ich zwei Semester an der Kunsthochschule abgerissen, aber das war für’n Arsch. Dann hab ich zwei Jobs als Studiomusiker
bekommen, einer davon für einen Big Name, und dann ging alles wie von selbst. Diese Bandnummer hier mach ich nur im Sommer,
quasi als Erholung. Inzwischen hab ich ein eigenes Studio. Bin ziemlich gefragt.«
Ich nickte beifällig und fragte Angela: »Und du?«
»Ich lebe schon seit Jahren auf Teneriffa, mein Vater hat dort ein Restaurant. Da habe ich auch Henning kennengelernt. Ich
kann nicht singen, nicht wirklich, aber diese Sache macht meistens Spaß. Sogar in Läden wie diesem hier.« Sie sah sich um,
und Chico, der ohnehin die ganze Zeit über zu unserem Tisch starrte, fing ihren Blick auf. Das rettete ganz offensichtlich
seinen Abend.
Meiner endete wie der von Nina vermutlich auch. Ich hatte Sex mit einem Bandmitglied. Sehr netten, ziemlich zärtlichen und
auf angenehme Art schüchternen Sex. Es war das erste Mal seit Jahren, dass ich mit einer Frau schlief (in mehr Positionen,
als Silke |68| und ich in den letzten fünf Jahren ausprobiert hatten), die nicht Silke hieß. Irgendwann mittendrin hatte ich diesen Gedanken
tatsächlich, aber nur kurz. Ich überraschte mich sogar damit, flüchtig an Nina zu denken, mit einem ganz merkwürdig-unbehaglichen
Gefühl, das ich rasch verdrängte. Als das Flapgeräusch der Liegenreservierer ertönte, saß ich mit Angela nackt auf dem Balkon
und trank Fusel aus der Minibar, der sich Sekt nannte und achtundzwanzig Euro pro Piccolo kostete. Ich betrachtete meinen
in der Dämmerung schimmernden Schwengel und verspürte das dringende Bedürfnis, Steini anzurufen, um mit ihm über all die Dinge
zu reden, die während der vergangenen sechsunddreißig Stunden passiert waren. Ich beschloss, das am nächsten Tag nachzuholen.
»Du bist sehr süß«, sagte Angela zum Abschied und zog ihre Banduniform an. »Wir sind übermorgen wieder hier. Sehen wir uns?«
Ich nickte, dann küssten wir uns ziemlich lange. Ich verspürte einen Anflug von Verliebtheit, der zu meiner Überraschung aber
nicht nur meiner aktuellen Bettpartnerin zu gelten schien, sondern im diffusen Durcheinander sie, die Frau meines Chefs und,
touché, Silke betraf. Angelas Haut war wahnsinnig weich gewesen, und viel von mir spürte diesem samtigen Gefühl noch länger
nach. Die Unbeschwertheit des ersten Sex. Ein Teil von mir vermisste etwas, ein anderer verlangte nach etwas. Im Ergebnis
war ich auf angenehme, leicht melancholische Art verwirrt. Ich setzte mich wieder auf
Weitere Kostenlose Bücher