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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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der Boden war mit Marmor belegt, und eine Korb-Sitzecke in der Lobby sah sogar einladend aus. Hinter dem schmalen Empfangstresen
     stand eine junge Marokkanerin, die uns freundlich in gebrochenem Englisch begrüßte. An ihrer Freundlichkeit änderte sich auch
     nichts, als sie unsere Last-Minute-Vouchers sah. Ein junger, aus der Achselgegend heftig nach totem Iltis riechender Kollege
     führte uns dann zu den Zimmern, die direkt nebeneinanderlagen. Die kleine Anlage war verwinkelt; wir durchschritten eine Art
     Garten und stiegen über eine Außentreppe in den ersten Stock eines sandfarbenen Bungalows. Von dort aus konnte ich den Hotelpool
     sehen, der im Vergleich zu dem unseres vorigen Hotels wie eine etwas größere steinerne Badewanne wirkte. Es war ziemlich heiß,
     aber da die Luft sehr trocken war, ließ es sich aushalten. Auch der Kofferboy wollte Bakschisch, aber wir mussten auch ihn
     enttäuschen. Nina verzog sich wort- und grußlos in ihr Zimmer. Meines war überraschend groß und ziemlich hell, wenn auch spartanisch
     möbliert. Es gab einen Fünf-Zoll-Fernseher mit riesiger Fernbedienung, einen kleinen Schreibtisch, keine Minibar, ein nur |112| unzureichend beleuchtetes Bad mit Dusche und einen Balkon, von dem aus man auf den Pool hinaussah. Auch von hier wirkte er
     nicht sehr viel größer. Ich packte meinen Kram aus, schickte eine SMS an Steini, auf den ich noch immer sauer, nein, irgendwie
     neidisch war, zog mich aus und versuchte zu duschen. Der Wasserdruck war ein Witz, die Temperatur schwankte sehr stark, auch
     nachdem ich die leicht gelbliche Flüssigkeit eine Weile laufen ließ. Also ging ich zum Pool. Bis dahin kreuzten zwei handtellergroße
     Kakerlaken meinen Weg. Hübsche Viecher, irgendwie.
    Nur wenige, zumeist relativ junge Leute belegten die einschlägigen Plastikliegen, es war vergleichsweise ruhig, wenn man vom
     nicht wirklich störenden Hintergrundrauschen der Straße absah, das die zwei- und dreistöckigen Hotelbungalows dämpften, die
     das Schwimmbecken umdrängten. Nach einem Bad im Bassin entdeckte ich neben einer welligen Tischtennisplatte einen Verschlag,
     der offenbar die Poolbar darstellte. Ich erwarb ein etwas seltsam aussehendes Sandwich, auf dem sich vielleicht Pute befand,
     und zwei polarkalte Flaschen des marokkanischen Biers »Flag Speciale«. Der junge Mann, der mich bediente, wirkte auf eine
     fröhliche Art abwesend, jedenfalls vergaß er zu kassieren oder mich nach meiner Zimmernummer zu fragen. In Berlin hätte ich
     den Einfluss illegaler Substanzen vermutet. Er kauderwelschte einen lustigen Mix aus Englisch und Französisch.
    Das »Flag Speciale« schmeckte originell und trotz seines offenbar sehr hohen Verdünnungsgrades recht gut. Das Putensandwich
     aber war der Hammer. Genauso gut hätte ich Kinderknete mampfen können. Ohne Bier wäre es unmöglich gewesen, das geschmacklose
     Zeug runterzuwürgen. Aber interessanterweise beruhigte es meinen rumorenden Magen. Als ich bei der zweiten Viertelliterflasche
     war, kam Nina. Sie nahm mir das angefangene Bier aus der Hand, warf sich auf eine benachbarte freie Liege und kippte das Gesöff
     in einem Zug. Ihr rotbraunes kurzes Haar stand wild in alle Richtungen ab, und ihre goldbraunen Augen hatten einen rötlichen |113| Hintergrund. Sie trug einen dunkelblauen Einteiler und ein weißes Tuch um die Hüfte, dazu die unvermeidliche Porschebrille
     im Haar.
    »Alles okay?«, fragte ich freundlich.
    »Hast du ’ne Meise?«, fragte Nina zurück, ging in die Rückenlage und legte sich ein kleines Handtuch aufs Gesicht. Keine drei
     Minuten später flatterte das Tuch rhythmisch zum leisen Schnarchen meiner Kollegin auf und ab.
    Eine halbe Stunde später war mir so heiß, dass ich es nicht mehr in der Sonne aushielt. Nina schlief noch, also ging ich zum
     Barverschlag. Vier Jugendliche spielten Tischtennis. Nicht nur die Platte sah aus, als wäre sie nach einer Brandlöschung aus
     einem Gebäude gerettet worden, nein, auch die Schläger, die die jungen Leute in den Händen hielten, hatten ihre besten Tage
     seit langem hinter sich. Ich ließ mir vom fröhlichen Kiffer ein neues Bier geben, was wieder keinen Bezahlvorgang auslöste,
     obwohl es hier kein All-Inclusive-Arrangement gab. Dann sah ich den vieren beim Spiel zu.
    Sie hießen Kevin, Robby, Nadine und Madeleine, kamen aus Rostock, waren Berufsschüler und allesamt Anfang zwanzig. Kevin war
     knappe zwei Meter groß, extrem schlank und vermutlich der beste

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