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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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Kunde seines örtlichen Drogisten. In seinen daumenlangen,
     welligen Haaren hing so viel Gel, dass es bis zum Urlaubsende reichen würde. Sein Kumpel Robby war ein gedrungener, kräftiger
     Typ mit hellblauen Augen. Er tendierte schon mit neunzehn zur Glatze. Nadine und Madeleine waren offenbar Busenfreundinnen,
     denn sie hatten beide lange, glatte schwarze Haare, trugen die gleichen weißen – und erfrischend knappen – Bikinis und Nasenflügelpiercings.
     Die hübschen Mädels waren schweigsam, aber Kevin und Robby schlossen mich sofort in ihr Herz, als ich (aber mals für mich kostenlos) eine Runde Bier und Zigaretten spendierte. Die guten Gefühle litten etwas darunter, dass ich sie anschließend
     allesamt zu Null beim Tischtennis abservierte. Bei den Revanchespielen patzte ich dann absichtlich und gewann vertrauensbildend
     jeweils mit nur zwei Punkten Abstand.
    |114| »Für einen älteren Herrn spielst du nicht schlecht«, kommentierte der kompakte Robby. Nadine und Madeleine kicherten dazu.
     Dann tuschelten sie miteinander.
    »Na ja, so alt ist er doch noch nicht«, sprang Kevin für mich in die Bresche. Ich bot an, ihn zu adoptieren. Wir setzten uns
     an den Poolrand. Nina lag nach wie vor ohne jede Bewegung auf ihrer Liege.
    »Was tut ihr hier so, wenn ihr nicht Tischtennis spielt?«, fragte ich.
    Robby verzog das Gesicht. »Wir haben vorgestern eine Tour nach Marrakesch gemacht, vom Hotel aus.«
    »Was für eine Scheiße!«, schimpfte Nadine, womit sie sich zum ersten Mal äußerte.
    Robby nickte. »War totaler Nepp. Hat übelst lange gedauert« – ich verbarg meine Verwunderung darüber, dass dieser ostige Achtziger-Begriff
     noch in Umlauf war –, »im Bus war es heiß, dann sind wir zu so ’nem Teppichhändler geschleppt worden, der mächtig sauer war,
     als wir nichts kaufen wollten. Dann durch den Basar oder wie das heißt. Kannste echt vergessen. Wir waren froh, wieder hier
     zu sein.«
    »Wir sind meist am Pool oder am Strand, und abends geht’s in die Disse«, erklärte Kevin. »Ist aber teuer, die meisten Discos
     sind in den guten Hotels, da nehmen die für’n Bier fünf Euro oder mehr. Und der Strand, Alter. Der ist zwar groß, aber alle
     drei Pupse kommt ein Händler und schwallt dich voll. Das passiert hier sowieso andauernd. Außerdem ist das Meer schweinekalt.
     Hier ist’s echt gemütlicher.« Er grinste.
    »Hast du Halbpension?«, fragte Robby. Ich nickte. Da lachten alle vier.
    »Na dann guten Appetit!«, sagte Robby prustend.
    »Neue Freunde?«, fragte Nina, die plötzlich neben uns stand. Sie beugte sich herab und nahm mir abermals das Bier aus der
     Hand.
    |115| »Das ist Nina«, erklärte ich. »Meine Frau.« Dabei grinste sie. Erstaunlicherweise reagierten Nadine und Madeleine. Beide blickten
     erst auf meine ringlose rechte Hand und dann erkennbar enttäuscht drein. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich meine, okay,
     ich sah vielleicht nicht ganz schlecht aus, hatte einen drahtigen Körper, ziemlich dichtes Haar, gesunde Zähne und keine nach
     außen erkennbare Behinderung. Wenn ich Leute kennenlernte, hielten die mich meist für Anfang dreißig. Aber diese Mädels waren
     halb so alt wie ich. Aus ihrer Sicht gehörte ich zur Vätergeneration. Dennoch: Während der vergangenen zehn Tage war ich häufiger
     angemacht worden als in den zehn
Jahren
zuvor. Woran zur Hölle lag das?
    Die zwei Kerle verabschiedeten sich zu einer weiteren Runde Pingpong (»Trainieren. Morgen schlagen wir dich«, behauptete Robby
     und strich sich mit der rechten Hand durch das lichte Haar), die Mädchen gingen in ihr Zimmer. Nina planschte mit den Füßen
     und drehte die leere Bierflasche in den Händen. Ihr Blick hing im Nirgendwo; vor Ort gab es ja auch keine Attraktionen.
    »Willst du mir sagen, was los ist?«
    Sie schenkte mir einen kurzen Blick und sah dann wieder in die verbaute Ferne.
    »Ich bin gestresst«, antwortete sie. »Im Moment funktioniert überhaupt nichts. Und wenn ich nur dran denke, dass ich noch
     …« – sie nahm die Flasche in die linke Hand und zählte mit den Fingern der rechten – »… neun Mal fliegen muss, muss ich kotzen.
     Aber das könnte ich sowieso pausenlos. Ich bin am Überlegen, alles hinzuwerfen. Sitz könnte mein Gehalt verdreifachen, diese
     Scheiße ist unzumutbar.« Sie wedelte mit der freien Hand, dann sah sie mich an. »Ich muss allerdings sagen, dass mir deine
     Gesellschaft inzwischen ziemlich angenehm ist, das nimmt ein bisschen vom

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