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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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gelbbraunem Grund. Hier und da gab es grüne Tupfer innerhalb
     scharf konturierter Grundstücksgrenzen. Irgendwelche Paläste, nahm ich an. Schließlich bereisten wir ein arabisches Land.
    Wir saßen in einem Linienflieger, weshalb es keinen Raucherbereich gab, dafür aber sehr engagierten Service, was an der Qualität
     des gereichten Kaffees (lauwarme Cola mit leichter Deo-Note) nichts änderte. Immerhin waren wir früh genug am Check-in gewesen,
     um Plätze nebeneinander zu bekommen, allerdings war das Flugzeug auch nicht voll. Das Publikum war deutlich jünger als auf
     dem Weg nach Gran Canaria, wirkte aber insgesamt …
abgerissener
. Der Geruch von billigem Rasierwasser wie »Old Spice« und »Tabac Original«, das schon mein seliger Vater benutzt hatte, hing
     in der Luft. Die Kinder, meistens im Grundschulalter, verhielten sich auf leicht depressive Art ruhig. Das galt auch für Nina,
     die während des gesamten Fluges – vom kurzen Schrei beim Start abgesehen – kein Wort sagte und entweder schlief oder schweigend
     aus dem Fenster starrte. Bei allen vier Runden, die die Stewardessen machten, bestellte sie doppelte Wodkas. Ich enthielt
     mich eines Kommentars, trank meine als Kaffee getarnte Deo-Cola, hörte Musik und las.
    Der Applaus bei der Landung fiel verhalten aus, und nur wenige Fluggäste schienen das Bedürfnis zu verspüren, minutenlang
     mit geknickten Hälsen im Gang zu stehen oder auf besondere |110| Positionen an der Gepäckausgabe zu drängen. Ich entdeckte mehrere Gruppen junger Menschen, meistens ausschließlich männliche
     oder weibliche, die sich vermutlich auf ihrem ersten elternfreien Urlaubstrip befanden.
    Da uns Bimbo auf dieser Reise nicht begleitete und Ninas Gepäckmenge nur noch halb so umfangreich war wie bei unserer ersten,
     saßen wir bereits zwanzig Minuten nach der Landung in einem außerordentlich klapprigen, nach Fußschweiß stinkenden und knallheißen
     Kleinbus, der über acht Plätze verfügte, weshalb ich annahm, dass wir ziemlich schnell im Hotel ankommen würden. Doch das
     war ein Trugschluss. Der Fahrer lud unsere Koffer ein und verschwand wieder, und danach geschah eine geschlagene Stunde lang,
     die ich aufgrund der klimatischen Bedingungen außerhalb des Busses verbrachte, überhaupt nichts. Nina schlief, die Wange an
     die verschmierte Scheibe des Fahrzeugs gedrückt – bei geschätzt sechzig Grad Innentemperatur. Nach fünf Zigaretten und einem
     ausgiebigen Studium der höhepunktearmen Fassade des Aeroporto Al-Massira kam der Fahrer, der viel Ähnlichkeit mit meinem türkischen
     Lieblingsgemüsehändler hatte, wieder angedackelt, bestieg ohne jede Erklärung den Bus, startete den ungesund klingenden Motor
     und kutschierte uns die kaum fünfzehn Kilometer zum Hotel. Während der Fahrt hörten wir laute marokkanische Folklore aus einer
     Stereoanlage, die vermutlich Ende der Fünfziger in der DDR produziert worden war. Der Krach hätte auch als Untermalung für
     einen Weltuntergangsfilm durchgehen können. Unser Fahrer reagierte überhaupt nicht, als ich ihn anzusprechen versuchte. Er
     sah mich nicht einmal an.
    Die Landschaft, die wir durchfuhren, war sogar im Vergleich zu Gran Canaria unspektakulär. Während eines Volontariats hatte
     ich mal für eine Reportage ein ostdeutsches Braunkohleabbaugebiet besucht; Agadirs Umgebung war kaum attraktiver. Und auch
     der Ort selbst wusste mit seiner staubigen Baukastenarchitektur nicht gerade zu glänzen. Ich sah viel Müll an Straßenrändern
     und einige |111| lädierte Autos mit Baujahren aus dem vergangenen Jahrtausend. Erst in Richtung Ortsmitte wirkte es aufgeräumter, dort waren
     auch vereinzelte Touristen zu sehen. Ich konnte sogar einen Blick auf den dunkelgrauen Strand werfen, bevor wir in eine Nebenstraße
     einbogen und mit fürchterlich quietschenden Bremsen – erstmals eingesetzt während dieser Tour – vor dem Hotel hielten. Der
     Fahrer hievte unsere Koffer aus dem Bus und schien mich erst jetzt wahrzunehmen. Weil er offenbar Trinkgeld wollte. Das Lächeln,
     mit dem er diese stumme Forderung unterstrich, hatte etwas Bedrohliches. Ich tippte mir mit dem Zeigefinger an die Stirn und
     hoffte, dass die Geste auch hier verständlich war. Zudem besaßen wir noch keine Dirhams. Er drehte sich auf der Hacke um und
     knatterte mit dem vorzeitlichen Kleinbus davon.
    In der Hotelhalle empfing uns eine mit Essens- und Tabakgerüchen geschwängerte Kühle. Immerhin gab es eine gewisse Noblesse;
    

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