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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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kürzlich geschiedenen
     Ehe. Ohne selbst mehr als unsere Namen verraten zu haben, wussten wir innerhalb einer Viertelstunde mehr über das Paar als
     voneinander. Peter verkaufte Autos, war Deutscher Vizemeister im Slot-Car-Racing, wie er ausführte (und das sich erst auf
     Nachfragen als eine Variante des Carrerabahnfahrens erwies, das ich als Kind geliebt hatte – ich erinnerte mich noch gut an
     die von den Fahrtreglern erhitzten Hände). Er träumte davon, ein eigenes Autohaus zu eröffnen, war aber noch Lichtjahre davon
     entfernt, diesen Traum |199| auch verwirklichen zu können. Aber am liebsten wäre er Slot-Car-Profi – eine Unmöglichkeit, da es, zumindest in Deutschland,
     keine berufsmäßigen Spielzeugrennfahrer
gab
. Sabine arbeitete als Sekretärin im selben Betrieb wie er, und ihr Exehemann war der Juniorchef, der inzwischen – nach einem
     Autounfall – im Pflegeheim vor sich hin vegetierte. Sie gestand etwas verschämt, ziemliches Glück gehabt zu haben, da die
     Scheidung kurz vor diesem Unglück bestätigt worden war. Peter zuckte zusammen, als sie, fast den Tränen nahe, einräumte, dass
     ihre absolut hinreißende neue Beziehung völlig undenkbar wäre, hätte ihr Exmann den blitzneuen Porsche zwei Monate früher
     gegen einen Alleebaum gesetzt, da sie einen behinderten Mann natürlich niemals verlassen hätte, weil man so etwas einfach
     nicht tat. Das Sabine-Peter-Marius-Glück fand ansonsten im Geheimen statt. Beide verlören ihre Jobs, wüsste der Autohausbesitzer
     und Unfallopfervater davon. Dies war ihr erster gemeinsamer Urlaub. Auf das unvermeidliche »Schön hier, oder?« nickten Nina
     und ich, und wir taten begeistert.
    Da wir uns kaum abgesprochen hatten, ließ ich Nina ein paar lustige Dinge über unsere Scheinehe erzählen. Sie improvisierte
     prima und verkaufte diese Reise als Versöhnungsurlaub nach einem Seitensprung meinerseits, was Peter zu einem ziemlich fiesen
     Grinsen nötigte. Glücklicherweise begann die Show, bevor wir uns einem intensiven Erfahrungsaustausch stellen mussten. Bis
     zu diesem Zeitpunkt war noch kein Kellner aufgetaucht. Ich brüllte gegen die ersten Takte irgendeines aktuellen Hits an, ob
     hier Selbstbedienung wäre, aber Peter schüttelte den Kopf. »Kann ein bisschen dauern, bis der Service losgeht. Die sind alle
     noch im Speisesaal.«
    Beim dritten Stück der fünfzehnköpfigen, in weiße Anzüge und rosa Hemden gekleideten Band – es gab nur männliche Bandmitglieder,
     darunter zwei Sänger, die sich abwechselten – erschienen zwei Kellner, offenbar echte Spanier. Bis jetzt hatte ich auf Mallorca
     ausschließlich Servicekräfte erlebt, die aus Deutschland stammten. |200| Sofort schossen Hunderte Arme in die Höhe. Nina grinste, stand auf und ging auf einen der beiden zu. Ich hörte nicht, was
     sie zu dem Mann sagte, ahnte es aber: den Namen des Managers. Jedenfalls kam sie kurz darauf in Begleitung zum Tisch zurück.
     Peter und Sabine rissen die Augen auf. Wir bestellten, und der Mann eilte davon, ohne sich um die anderen Gäste zu scheren.
     Erst als wir unsere Drinks hatten, zückte er einen Block und arbeitete gemächlich einige weitere Tische ab. Bis die Urlauber
     um uns herum mit Getränken versorgt waren, dauerte es eine weitere Viertelstunde. An den Nachbartischen wurde getuschelt,
     und das Gesprächsthema waren wir. Nina sonnte sich in dieser spontanen Prominenz.
    Peter war einen halben Kopf kleiner als ich und, objektiv betrachtet, nicht besonders gut aussehend. Aber er hatte das Charisma
     der Autoverkäufer. Diese Leute verstehen es einfach, einem das Gefühl zu geben, wichtig zu sein, und deshalb unterhielt ich
     mich angeregt mit ihm über Spielzeugautos – ein fast schon beunruhigend ergiebiges Thema. Seine Sabine schien eher der melancholische
     Typ zu sein, sie hatte rote Haare und eine blasse, mit Sommersprossen übersäte Gesichtshaut. Ihre Taille war deutlich ausladender
     als diejenige meiner Urlaubsehefrau, und da sie neben mir saß und einen kurzen Rock trug, fiel mein Blick gelegentlich auf
     ihre Oberschenkel. Ich musste an einen Witz denken, den mir – natürlich – Party-Ralle erzählt hatte: Warum bekommen Männer
     keine Cellulitis? – Weil es scheiße aussieht.
    Fünf Drinks später – Peter trank Scotch mit Cola, doppelte Einspritzung – bemerkte ich, dass Sabine immer ruhiger wurde, während
     ihr Verlobter offenbar versuchte, mit Nina zu flirten. Ich war beim zweiten Bier, und meine Kollegin

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