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Pauschaltourist

Pauschaltourist

Titel: Pauschaltourist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Liehr
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wusste es nicht, hielt meine Uhr ins Mondlicht, aber das Teil, das ich mir als vorübergehenden Ersatz
     für meine geklaute M-L gekauft hatte, verfügte nicht über eine Datumsanzeige. Ich versuchte, rechnerisch herauszubekommen,
     welcher Tag heute war, scheiterte aber auf ganzer Linie. Mein internetfähiges Telefon lag im Zimmer.
    Heino und Nina. Es stimmte also doch. Der Mann, der mit Transparentkleid-Edel-Marejke verheiratet war, der vermutlich irgendwas
     Sieben- bis Achtstelliges auf dem Konto hatte, der trotz Zahnlücke also nicht die geringsten Schwierigkeiten hätte, sich etwas
noch
Geileres,
noch
Jüngeres als Frau Medsger zu angeln (WOZU?, schrie es in mir), trieb es heimlich mit meiner Kollegin, die, zugegeben, durchaus
     etwas hatte. Langsam verstand ich die Männer, die auf ihre burschikose Art abfuhren.
    So warm war das Meerwasser doch nicht. Ich setzte mich in den Sand, rieb die Füße mit den Händen trocken, zog Strümpfe und
     Schuhe wieder an und lauschte dann in die vergleichsweise erträgliche Geräuschkulisse. Die Luft war lau, roch nach Meer und
     einer leichten Sonnencremenote, und vermutlich gab es hier keinen Feinstaub. Silke würde mit ihrem Achtziger-Mini nicht mehr
     die Innenstadt befahren dürfen, wenn im nächsten Jahr die bescheuerte Umweltzonen-Regelung verschärft würde. Ich wurde ansatzweise
     wütend, bekam aber gleichzeitig eine Ahnung davon, warum sich Leute gerne in den Süden verabschiedeten, wo das Leben sehr
     viel entspannter zu verlaufen schien, wenn man keinen Blick unter die Oberfläche riskierte. Was ich, wie ich mir gestehen
     musste, noch nicht getan hatte.
    |206| Ich ging in eine Bar, die mich an die türkischen Kneipen in Berlin erinnerte – es war neonhell, und man hatte nicht die geringsten
     Versuche unternommen, etwas wie deutsche (oder spanische oder wenigstens
isländische
) Gemütlichkeit entstehen zu lassen. Ich trank zwei Bier und suchte gegen Mitternacht den Heimweg. Aber ich fand ihn nicht.
     Nach einer guten Dreiviertelstunde stand ich wieder auf der Uferstraße. Ich wusste noch genau, wie es auf dem Weg hierher
     ausgesehen hatte, aber ich sah die Szenerie jetzt aus dem umgekehrten Blickwinkel. Heiliger Hühnerhabicht. Als es auf halb
     zwei zuging, fand ich endlich die Straße, von der ich auf den Strand zugekommen war. Um zwei betrat ich das Clubgelände. Es
     war fast völlig still, nur sieben oder acht Gestalten saßen noch an den Tischen um den Pool herum, wo es längst keinen Service
     mehr gab. Eine von diesen Gestalten war Nina. Sie saß vor einer gewaltigen Phalanx leerer Schnapsgläser und starrte in die
     Sterne. Als ich mich zu ihr setzte, sah sie mich kurz an. Da war er wieder, der Terroristenblick. Vielleicht hatte sie mich
     nicht mal erkannt. Ich legte meinen Kopf ebenfalls in den Nacken und versuchte, Sternbilder zu erkennen. Dabei dachte ich
     an die beiden Mädchen aus Rostock und jenen Abend, an dem wir am Pool in Agadir über Astrologie gesprochen hatten. Das kam
     mir heute, nur ein paar Tage später, schon wie etwas aus meiner fernen Vergangenheit vor. Vielleicht war es das. Was man im
     Urlaub tat, das war schon am Tag nach der Rückkehr nur noch eine schöne Erinnerung, hatte aber – meistens – keine weiteren
     Konsequenzen.

|207| 4.
    Der Club verspielte seinen relativen Bonus gleich mit dem Morgenkaffee – Instantplörre, die mich an »Im Nu« denken ließ, jenes
     Ostzeug, das wie so manch anderes DDR-Konsumprodukt wieder erhältlich war und das ich bei meinem Besuch im Braunkohletagebau
     hatte zu mir nehmen müssen. Es entzog sich meinem Verständnis, warum man etwas so Wunderbares wie Kaffeebohnen aufwendig bearbeitete,
     um im Ergebnis ein Getränk zu bekommen, das nach dem aufgegossenen Dreck von Bundeswehrstiefeln schmeckte. Meine Laune sank,
     und auch die beiden Frühstückshelferinnen – wieder Deutsche – konnten keine adäquate Ausweichlösung anbieten. Das Restaurant
     und die Bars am Pool, wo es angeblich »rich tigen « Kaffee gab, öffneten erst um zwölf. Es war kurz vor halb zehn. Ich hatte recht ordentlich geschlafen und die kurze Nacht
     in Arenal wieder wettgemacht, wenigstens was. Nina reagierte nicht auf meine Kontaktversuche, so wie sie auch in der Nacht
     zuvor nicht geantwortet hatte, als ich mich bemühte, mit ihr zu sprechen.
    Ich okkupierte eine reservierte Liege, wieder im Bereich des Kinderbeckens, und war nicht der Einzige, der so handelte. Auf
     einem Tisch, der von der

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