Pausensnack
Taschenlampen gefunden.«
Sein Gesicht verzerrt sich.
»Die haben Megan umgebracht. Und ihre Leiche nach draußen geschafft. Keine Ahnung, wie das passiert ist – sie kam zu sich und hat sie angegriffen –, aber die hätten sie trotzdem nicht gleich umbringen müssen.
Todd geht es einigermaßen, glaube ich. Er schläft gerade und Lorna auch. Letzte Nacht haben wir kein Auge zugemacht. Wir haben total Durst – und Hunger auch, aber der Durst ist schlimmer. Weiter oben hat noch ein Wasserhahn funktioniert, aber die Leitung ist jetzt auch abgestellt. Oder eingefroren oder so. Die sagen, dass sie demnächst rauswollen, um Essen und Trinken zu besorgen, und ich soll mitkommen. Sie haben es schon mal probiert, als sie Megans Leiche nach draußen gebracht haben, aber da waren zu viele Irre unterwegs. Wir hängen erst mal hier fest.
Ich glaube nicht, dass da draußen irgendwo Polizei ist. Vor einer Weile waren Schüsse oder so zu hören, aber jetzt ist alles still.«
Er reibt sich die Augen.
»Ich glaube, wir sind auf uns allein gestellt.
Später mehr. Ich werde versuchen, irgendwas zu filmen, wenn ich draußen auf der Straße bin.«
Er zwinkert einmal.
»Wünscht mir Glück, ja? Adios, amigos, und hasta la vista. Ich meld mich bald wieder. Hoffentlich.«
Er fummelt mit dem Handy herum, die Kamera wackelt.
Der Bildschirm geht aus.
***
Er liegt da halbnackt im Dunkeln und ihm ist trotz der Kälte total heiß. Seine tintenschwarzen, verfilzten Haare kleben ihm am Kopf. Schweiß rinnt langsam seine Brust hinab wie die Tropfen an einer beschlagenen Fensterscheibe. Unter dieser klammen Porzellanhaut schlägt sein Herz doppelt so schnell. Und irgendetwas anderes bewegt sich auch noch dort drinnen, wie ein Parasit, ein Summen von Energie, die wummernd durch seine Adern strömt, die ihn am Leben hält und dafür sorgt, dass er ein Mensch bleibt.
»Bist du da?«, hört er ihre Stimme. »Ich brauche dich.«
Er runzelt im Schlaf die Stirn und versucht sich zu erinnern. An den Weg zurück. Zurück ins Leben, zurück zu ihr. Zurück in den Schnee und die gute, herrliche Kälte. Aber er kann sie nicht sehen, er kann niemand von den anderen sehen. Waren sie überhaupt je wirklich da?
Er erinnert sich an einen Kuss. Es hat einen Kuss gegeben. Und dann ist sie von ihm fortgekrochen, ins Licht.
Er dreht sich auf die Seite und unter ihm knarrt Leder; seine Jacke, mehr an Bett hat er nicht. Als er sich streckt, wacht er beinahe auf; ein monochromer Anblick bis auf diese Bisswunden. Rot quillt es durch die Verbände, die schon wieder durchbluten; langsam, aber sicher rinnt das Leben aus den darunter liegenden tiefen Wunden.
Und dann ist sie plötzlich bei ihm. Ihre Hand fährt sein Gesicht entlang, seinen Hals, bleibt auf der Brust liegen. Sie beugt sich über sein Gesicht. Ihr sanfter Atem fühlt sich kühl an auf der Haut. Sie streicht mit den Lippen über seine Wange, ganz zart, es ist noch kein Kuss. Er versucht nach ihr zu greifen, aber seine Arme sind weg, sind irgendwie in den Boden eingesunken. Ihre Wimpern flattern an seiner Stirn und er versucht tief einzuatmen, sie in sich einzuatmen, aber seine Lunge ist voller Eiswasser und er spürt eine dunkle Kraft, die ihn nach unten zieht, zurück in die Tiefen, wo nichts Gutes ist. Er sieht sie – nicht wie in einem normalen Traum, sondern herrlich klar –, ihr blasses, perfektes Gesicht, diesen Knick in ihrer Lippe, wenn sie nicht weiß, ob er sie gerade verscheißert oder nicht, ihre dunklen Haare, die so toll riechen, ihre Leggings mit dem Riss und der Beinwunde, die sie im Bus hat verbinden wollen, ihren Blick, als sie ihm die Spritze gegeben hat.
Aber nun verblasst die Vision. Während er wegtreibt von ihr, hört er ihre Stimme, fern, aber deutlich:
»Mach dich bereit, Smitty. Die Sache ist noch nicht vorbei.«
Kirsty McKay war Schauspielerin, bevor sie begann dramatische Texte zu verfassen und für kommerzielle Theater in Großbritannien und Nordamerika zu schreiben. Erst seit wenigen Jahren widmet sie sich der Kinder- und Jugendliteratur. 2008 gewann sie den Schreibwettbewerb des SCBWI (Society of Children’s Book Writers and Illustrators) für Debütautoren. Kirsty wurde im Nordosten Englands geboren. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in den USA und ist Vollzeit-Autorin.
Frank Böhmert ist 1962 geboren, Berliner in der vierten Generation und entstammt einer Handwerkerfamilie. Er schreibt seit seinem fünfzehnten Lebensjahr; im
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