payback: thriller (German Edition)
hatte. Ludo trank den Malt aus und leckte sich genießerisch über die Lippen.
»Noch einen?«, fragte die Barfrau, ohne zu lächeln.
»Nein, danke«, erwiderte Ludo.
Sie brachte ihm die Rechnung. Der Preis für die Flasche war nicht darauf vermerkt, den berechnete sie extra. Er zählte ihr die Summe mit der linken Hand in ihre rechte.
»Wenn Sie ein Zimmer für die Nacht suchen, hätten wir was im ersten Stock.«
»Danke, ich komm zurecht«, sagte er.
Sie lächelte ihn an, als er ihr zum Abschied zunickte. In ihren Wangen zeigten sich Grübchen. »Passen Sie auf sich auf«, riet sie. »Oder vielmehr: Passen Sie besser auf sich auf.«
Ludo gefiel das. Für einen Augenblick machte es sogar das Brennen in seiner Schulter erträglicher. Eine nette Frau, dachte er. Zu einem anderen Zeitpunkt und an einem anderen Ort wäre er die Sache vielleicht anders angegangen.
Doch heute fuhr er zu der Straße, die in der Broschüre umkringelt gewesen war. Er parkte in einer gewissen Entfernung von dem Haus und machte es sich im Auto so gut es ging bequem. Einige harte, schmerzhafte Stunden musste er noch ausharren, bevor es an der Zeit war, Paulo zu überraschen. Er trank. Er rauchte. Er lauschte einigen auf leise gestellten Blues- CD s. Manchmal verlor er vor Schmerzen, Whiskey, Erschöpfung oder auch Trauer um Isabella einen Moment lang das Bewusstsein.
Schließlich wurde es Morgen in Kapstadt. Ludo sah, wie die Sonne aufging und sich ihr Licht über der Stadt und dem Berg ausbreitete – ein zartes Orange, das sich in einen blauen Himmel verwandelte. Er stieg aus, balancierte den Whiskey in seinem Kopf gegen die Schmerzen in seinem Körper aus und klopfte an die Tür. Als Paulo öffnete, hielt ihm Ludo die Automatik ins Gesicht.
»Überraschung!«
Paulo wich zurück. Sagte: »Scheiße!«
»Genau«, erwiderte Ludo und spürte, wie er dem Kerl in die Arme sackte.
35
Ludo kehrte ins Leben zurück, als sein Handy klingelte und ihn aus dem schwarzen Loch herausholte, in das er gestürzt war. Das Handy befand sich in seiner Hand.
Francisco. »Hi, Ludo. Was ist los, Ludo? Ihr beide solltet mich doch auf dem Laufenden halten, du und Isabella.«
»Tanzen«, erwiderte Ludo. »In den Dünen tanzen.«
»Was ist los? Verlierst du da drüben den Verstand, oder was?«
»Boogie-Woogie«, entgegnete Ludo. »Boom, boom, boom, boom.« John Lee Hooker spielte die Gitarre.
»Du stehst offenbar neben dir. Du musst zu dir kommen, Ludo.«
Ludo nahm Isabella in die Arme. Eine Harfe dröhnte laut in seinen Ohren. James Cotton: Fire down under the Hill. Er schleppte Isabella durch das unwegsame Gelände. Ihr Kopf war nach hinten gesackt und in dieser Position erstarrt. Jetzt ruhte er auf seiner Schulter. Das Klavier drang an den Klängen der Mundharmonika vorbei. Es erzählte eine Geschichte. Die Gitarre tat es ihm nach. Die Harfe hingegen sprach jene Worte aus, die Ludo nicht über die Lippen brachte.
Francisco rief am anderen Ende der Leitung: »Komm zu dir, Ludo. Sag mir, was los ist. Wie sieht es aus mit dem Deal? Und sag Isabella, dass sie endlich mal an ihr Handy gehen könnte.«
Ludo tanzte den Boogie. Er schwankte. Isabella fiel zu Boden. Beide stürzten gemeinsam auf das Dünengras.
»Ihr beide müsst zurückkommen«, sagte Francisco. »Das ist echt eine miese Verbindung. Ludo? He, Ludo!«
Ludo ließ das Handy fallen und nahm Isabella wieder in seine Arme.
Flirrendes Sonnenlicht auf weißem Sand. Die Sterbenden und die Toten. Die Harfe schluchzte.
36
Am Sonntagmorgen hielt Pylon vor dem Hotel ein Taxi an. Der Fahrer stellte sich als Joao vor. Er sprach kein Wort Englisch und war vermutlich höchstens sechzehn. Fuhr einen Mercedes Benz aus den Siebzigern, der früher einmal grün gewesen sein mochte, inzwischen aber vom Rost zerfressen war. In den Türen und der Kühlerhaube konnte man bereits das Skelett des Wagens erkennen. Die Reifen waren abgefahren, der Auspuff hatte Löcher. Das Innere bestand aus Plastiksitzen, die mit Draht an den Sprungfedern befestigt waren. Das Armaturenbrett fehlte größtenteils. Mace stieg hinten ein und Pylon vorne. Er sagte: zum Hafen. Die Fahrt dauerte zehn Minuten. Sie führte aus der Stadt in eine Gegend voll rostigen Metalls: LKW s, Motoren, Eisenbahnschienen, Schiffe – als kämen die Fischereiflotten der halben Welt hierher zum Sterben. Joao bog in eine Gasse ein und folgte einem Schienenstrang bis zu den Lagerhäusern unten am Hafen. Dort kurvte er an der äußeren Mole entlang,
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