Peace Food
Lebensspanne nur, weil ihrem Futter Vitamin A und vor allem D, wahrscheinlich
als Sonnenersatz, beigemischt wird. Nach sechs Wochen ist das Elend amerikanischer
Masthühner vorbei, und sie landen im Backofen oder auf dem Grill. Deutsche sind noch
schneller und manchmal schon nach fünf Wochen fertig. Viel länger könnten sie auch kaum
durchhalten, denn ihr Fleisch wächst rascher als ihre Knochen, was zu grotesken Formen und
auch Krankheitsbildern führt. Etwa 4 Prozent der Hühner sterben – einkalkuliert – unter
krampfartigen Zuckungen am sogenannten sudden death syndrom, dem plötzlichen Todessyndrom,
ungefähr 5 Prozent gehen an Wasseransammlungen in der Bauchhöhle zugrunde, die nur in der
Massentierhaltung vorkommen, 75 Prozent der Tiere haben Schwierigkeiten beim Gehen und
dürften unter ständigen Schmerzen leiden.
Das geplante Ende kommt zwar bald, geht aber nicht schnell. Sein
denkwürdig furchtbares Leben, in dem es nie die Sonne sah, endet für das Masthuhn ähnlich
grausam, wie es verlief. Von sogenannten Stopfern im Akkord in Kisten gestopft, im
Schlachthof brutal ausgepackt und an den Füßen in Metallschlingen, Kopf nach unten,
aufgehängt, durchläuft es, selbst wenn alles »gut geht«, ein Martyrium, bei dem fast
regelmäßig Knochen brechen. Das Förderband zieht die aufgehängten Tiere durch ein unter
Strom gesetztes Wasserbad, das sie betäuben soll. Aber es macht sie nicht gefühllos. Eine
für Menschen unvorstellbare Situation, die vor Kurzem in der EU, nicht aber in den USA,
nach Jahrzehnten verboten wurde.
Als Nächstes landen sie beim Halsschnitt-Automaten, was sie umbringen und
ausbluten lassen soll – sofern der Automat die wichtigsten Gefäße trifft, was häufig nicht
der Fall ist. Deshalb braucht es einen eigenen Arbeiter, den sogenannten Nachschneider, der
es aber oft auch nicht schafft, allen Tieren die Kehle durchzuschneiden. Dann landet das
Tier lebendig im Brühbad. Dieses Verhängnis ereilt laut Foer allein in den USA vier
Millionen Vögel pro Jahr.
Wenn es nicht »gut geht«, fehlen uns die Worte … Im Hinblick auf die
»Hygiene« fehlen sie einem sowieso. Die Kadaver werden durch verschiedene Bäder gezogen,
von den Arbeitern »Fäkalsuppe« genannt, was die hohen Verseuchungszahlen erklärt: fast 100
Prozent mit Escherichia coli, 8 Prozent mit Salmonellen und bis zu 80 Prozent mit
Campylobacter, einem potenziell gefährlichen Keim. Diese Zahlen ergeben sich bei Kontrollen
regelmäßig. Eine Untersuchung des deutschen Bundesamtes für Risikobewertung stellte 2010
eine Campylobacter-Verseuchung zwischen 39 und bis zu über 70 Prozent fest.
Die Tierkörper sind am Ende der Schlachtprozedur in einem dermaßen
miserablen Zustand, dass sie mit einer speziellen Bouillon aufgespritzt werden, die
zwischen 10 und 30 Prozent ihres Verkaufsgewichts ausmacht. Dadurch sollen sie dann wieder
halbwegs nach Huhn schmecken.
Mit dem Hygiene-Argument wurde, wie schon erwähnt, den Bauern und kleinen
Metzgereien das Schlachten so erschwert, dass sie aufgeben mussten. Die hygienischen
Missstände in Schlachthäusern spotten aber bei solchen Praktiken jeder Beschreibung. Auf
ähnliche Weise werden in der EU 6 Milliarden Hühner jährlich »produziert«, in der Welt
insgesamt 50 Milliarden. Es könnten rasch viel mehr werden, wenn China und Indien ebenfalls
diesem Wahnsinn folgen, wofür im Augenblick noch alles spricht.
Produktivität an erster Stelle
Die Tiere in den Tierfabriken werden ausschließlich im Hinblick auf
Produktivität gesehen, als reine »Produktionsmittel«. So kommt es zu Schweinen, die im
Freien gar nicht mehr existieren können, weil ihre schwachen Beine nicht mitmachen, zu
Puten mit überdimensionalen Brüsten, die sich nicht mehr vermehren, und zu Hühnern, die
kaum noch Vogeleigenschaften haben, vom Fliegen ganz zu schweigen. Das braucht es in der
modernen Tierfabrik ja auch gar nicht. Was René Descartes, der französische Philosoph,
angedacht hatte, als er Menschen und Tiere rein mechanisch als Maschinen definierte, ist
hier brutal umgesetzt.
Die für die Industrie positive Seite und für jene, die billiges
Folterfleisch in Kauf nehmen: Der Fortschritt ist rasant. Zwischen 1820 und 1920 haben die
Bauern in 100 Jahren die landwirtschaftliche Produktivität verdoppelt, zwischen 1950 und
1965 geschah das nochmals in nur 15 Jahren, in den 10 Jahren zwischen 1965 und 1975
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