Peacemaker
Ecke standen eine Reisetasche und ein Laptopcomputer. An beiden hingen abgewetzte Aluminium-Namensschilder, in die Cole Ransoms Name eingraviert war. Kate wurde bange ums Herz, als ihr bewusst wurde, dass Ransom irgendetwas Schreckliches zugestoßen sein musste, wenn es sich dabei tatsächlich um seine Habseligkeiten handelte.
Botschafter Stearns saß neben Big Al Prejean auf dem Boden. Sie waren noch keine zehn Minuten in der Kabine, als die Tür aufging und Earl Parker hereingeschubst wurde.
Nachdem die Tür wieder zugeschlagen worden war, sagte Kate: »Alles in Ordnung mit Ihnen? Wir haben uns schon Sorgen gemacht.«
Parker ließ sich aufs Bett fallen und erwiderte: »Mir geht’s gut. Er hat mich nur kurz aus der Fassung gebracht.«
»Haben Sie jemanden von meinen Leuten gesehen?«
Parker nickte. »Sie haben sie in die Kantine getrieben. Ein paar von Ihren Leuten haben versucht, sich zu wehren.« Er verzog den Mund. »Sie haben sie wie Hunde erschossen.«
Kate schluckte. »Wie viele?«
»Da haben Sie recht«, sagte sie. »Das ist es nicht.«
Parker antwortete nicht.
»Der Typ, der das Kommando hat, behauptet, er wäre Abu Nasir«, sagte Kate. »Es hatte den Anschein, als würden Sie ihn kennen.«
Parker nickte. Doch Kate las noch etwas anderes aus seiner wortlosen Bestätigung heraus, etwas, das er außen vor ließ.
»Wissen Sie, was er möchte?«
»Das hat er uns noch nicht gesagt.« Parker zögerte, als überlege er, ob er fortfahren solle oder nicht. Als er sich schließlich dafür entschied, senkte er die Stimme zu einem Flüstern, das nur sie hören konnte. »Aber es ist meine Schuld, dass das passiert.«
»Ihre Schuld?«
»Der Mann, der sich Abu Nasir nennt … Sein wirklicher Name ist Tillman Davis. Er hat früher für mich gearbeitet.« Parker wandte sichtlich beschämt den Blick ab, als er fortfuhr und ihr von der geheimen Mission erzählte, die er initiiert hatte. Er erzählte ihr von Tillmans Verwandlung vom Geheimagenten zum gewissenlosen Terroristen und dass er selbst Gideon Davis dazu überredet habe, ihn nach Mohan zu begleiten und Tillman zurückzuholen. »Dass ich Tillman vertraut habe, war der größte Fehler meines Lebens. Und jetzt ist Gideon …« Seine Stimme stockte vor Bedauern. »Ich hätte ihn aus dieser Sache heraushalten sollen.«
Plötzlich ging die Stahltür auf, und ein Asiate im Sky-TV-T-Shirt kam herein, deutete auf Kate und bellte auf Englisch mit starkem Akzent: »Sie! Mitkommen.«
Kate rührte sich nicht von der Stelle.
»Tun Sie einfach, was man Ihnen sagt«, flüsterte Parker.
»Mitkommen!«, brüllte der Aufseher und zerrte Kate zur Tür. Als sie sah, dass Big Al sich auf ihn stürzen wollte, schüttelte sie energisch den Kopf und stoppte ihn, bevor er irgendeine Dummheit begehen konnte.
»Schon gut, Al. Ich komme schon zurecht.« Der Aufseher stülpte ihr eine schwarze Stoffhaube über den Kopf und band diese an ihrem Hals locker zu. Kates Herz begann, schneller zu schlagen, und ihr Mund fühlte sich strohtrocken an. Würden sie ihr wehtun, sie schlagen, ihr den Kopf abhacken?
Der Aufseher führte sie zur Tür hinaus in den Gang. Sie konnte durch die Haube nichts sehen, doch der Mann übte gerade genug Druck auf ihren Arm aus, um sie den Korridor entlangzudirigieren, ohne dass sie stolperte oder irgendwo anstieß.
Ihre Schritte hallten von den Wänden wider, als sie langsam durch die Korridore gingen. Sie versuchte, sich ein Bild zu machen, wohin sie unterwegs waren, aber nachdem sie im Inneren der Bohrinsel mehrmals abgebogen waren, verlor sie die Orientierung. Irgendwann blieb der Mann stehen.
Sie hatte das Gefühl, dass Minuten verstrichen, während sie schweigend wartete. Schließlich sagte ein anderer Mann, der sich hinter ihr befand: »Auf die Knie.« Sie erkannte seine Stimme. Die Stimme gehörte Abu Nasir, der auf ihre Bohrinsel gelangt war, indem er sich als Cole Ransom ausgegeben hatte. »Auf die Knie«, forderte er sie abermals auf.
Ehe sie reagieren konnte, trat ihr jemand von hinten in die rechte Kniekehle. Ihr Bein knickte ein, und sie fiel auf die Knie.
»Wir haben klare und einfache Ziele, Ms Murphy. Und wir werden uns nicht von diesen Zielen abbringen lassen. Ihnen wehzutun gehört nicht dazu, aber wenn Sie versuchen, uns in die Quere zu kommen, werde ich nicht zögern, Sie zu töten.«
Erst gestern hatte Senator McClatchy sie zu Abu Nasir befragt, einem Mann, den sie eher für einen Mythos als für Realität gehalten hatte, für
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