Pech und Schwefel (German Edition)
sich zwei Stockwerke unter ihrem Zimmer befand, und der ein wenige seiner Wärme nach oben abgab.
Ronor kippte ihre Lederbörse aus und betrachtete schwermütig die sechs Edelsteine vor sich.
»Wir haben nichts mehr. Und erst in vielen Wochen werden die ersten Karawanen aufbrechen.«
»Ich suche mir noch eine andere Arbeit«, meinte Nomarac.
»Und wie willst du das machen?« Ronor sah ihn skeptisch an. »Wir sind von morgens bis abends unterwegs. Und selbst wenn du noch andere Arbeit findest, wann willst du schlafen?«
Das war ein Argument, dem Nomarac nichts entgegenzusetzen hatte und beide verfielen in grüblerisches Schweigen.
Zwei Tage später kam alles anders.
»Wenn ihr nicht zahlen könnt, dann fliegt ihr raus«, schnaubte Kanabel und wedelte mit den Armen in der Luft herum. Dann stemmte er die Hände in die Hüften und versperrte den Zwillingen den Weg in ihr Zimmer. »Ohne Geld auch kein Zimmer. Ihr habt nicht bezahlt, und sagt, ihr habt nicht mehr viel in eurer Börse … also raus mit euren dreckigen Hintern aus meinem Gasthaus.«
»Aber … aber so haben wir …«, setzte Ronor an, verstummte aber, weil der Wirt ihn mit einem groben Schubs gegen die Wand stieß.
»Aufhören! Wehe sie tun meinem Bruder etwas!« Nomarac zog sein Messer hervor.
Doch Kanabel ließ sich davon nicht beeindrucken, er lachte sogar. Das war für Nomarac zu viel und mit der Klinge wollte er sich auf den Wirt stürzen. Doch er hatte nicht mit Gegenwehr gerechnet. Schneller, als er es dem dicklichen Raukarii zugetraut hatte, holte der mit der Faust aus und traf den Zwilling mitten auf die Nase. Ihm wurde für einen Moment ganz schwindlig. Ronor war jedoch sofort zur Stelle und half ihm, dass er nicht das Gleichgewicht verlor.
»Verschwindet! Sofort!«, brummte Kanabel und wie aus dem Nichts hielt er plötzlich einen Prügelstock in der Hand. Diesen schwang er bedrohlich vor sich her. »Ich mache euch schon Beine, wenn ihr nicht auf der Stelle mein Haus verlasst.«
Kurz darauf landeten die Brüder mit einem kräftigen Tritt in den Allerwertesten auf der Straße. Der Wind pfiff über ihre Köpfe hinweg und ein eiskalter Schauer brachte sie augenblicklich zum Frieren.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Ronor und rieb sich seinen schmerzenden Hintern, während er aufstand.
»Keine Ahnung.« Nomarac zuckte die Schultern und tastete sein Gesicht ab, ganz besonders die Nase. Zum Glück blutete er nicht und gebrochen schien auch nichts zu sein. Dafür tat es höllisch weh und trieb ihm die Tränen in die Augen.
Ihre Edelsteinreserve war aufgebraucht. In ihrer Lederbörse waren nur noch zwei kleine Rosenquarzsteine, die Nomarac an sich nahm und für sie eine letzte Mahlzeit kaufte. Sie bestand aus einem halben Laib Brot und zwei Äpfeln. Und in nächster Zeit würde auch nichts mehr nachkommen. Kasos hatte ihnen gestern den letzten Lohn ausbezahlt und mitgeteilt, dass er die restlichen Edelsteine für seine Familie selbst benötigte.
So landeten die Zwillingsbrüder lediglich mit ihren Kleidern am Leib und ihren Umhängen um die Schultern geschlungen auf der Straße.
Kapitel Neun
In den Fängen der Bestien
Tief betrübt irrten Ronor und Nomarac die ersten Tage auf den Straßen umher. Nachts suchten sie sich immerzu ein neues wettergeschütztes Versteck, kuschelten sich eng aneinander, um dann noch vor dem Morgengrauen wieder auf den Beinen zu sein.
Inzwischen hatten sie angefangen um Essen zu betteln. Der Suppenkoch besaß ein großes Herz und schenkte ihnen oft eine Schale heiße Suppe, die sie sich teilten. Erst als das Frühjahr immer näher rückte, fanden sie auch schließlich Arbeit. Manchmal nur für einen Tag, aber von dem Lohn konnten sie wenigstens ihre knurrenden Mägen füllen.
Als der dritte Monat des neuen Jahres bereits in den vierten überging, schlenderten die Zwillinge über den Markt. Überall bettelten sie nach Arbeit, fragten sogar Händler und Karawanen, die in den kommenden Tagen nach Osten aufbrachen. Sie wollten für eine sichere Reise arbeiten, aber durch ihr verwahrlostes Aussehen wollte sie niemand einstellen, geschweige denn mitnehmen. Ihre Hosen und Hemden waren schwarz, löchrig und stanken. Ebenso ihre Umhänge, die sie nachts als Decken benutzten. In ihren jungen Gesichtern zeichneten sich immer mehr der Hunger, der Schlafmangel und die tiefe Verzweiflung ab. Ihr großer Traum Mayonta endlich hinter sich zu lassen und nach Zyrakar zu reisen, war einem Leben in der Gosse
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