Pech und Schwefel (German Edition)
verstanden?«
Nickend tauschten die beiden einen wissenden Blick aus. Wäre nicht Alori die Person gewesen, die ihnen zu diesem Ort geraten hätte, wären sie am liebsten sofort wieder gegangen. In der Stadt gab es noch viele Gasthäuser, die nur die Hälfte von dem verlangten, was sie bezahlen sollten, und die in besserem Zustand waren. Doch sie sollten im Armenviertel und auf der Hut bleiben. Also blieb ihnen momentan keine große Wahlmöglichkeit. Zumindest vorerst.
»Wunderbar.« Kanabel drehte sich um und dröhnte laut: »Jin! Komm her du Nichtsnutz.«
Wenige Augenblicke später schlurfte ein junger Raukarii, mit fettigen langen Haaren, mürrischer Miene, einem blauen rechten Auge und dreckiger Kleidung durch die angelehnte Küchentür in den Schankraum. Er schien nicht viel älter, als die Zwillinge zu sein. Als er neben dem Wirt stand, verpasste dieser ihm eine Kopfnuss, die er mit einem maulenden »Au« entgegennahm und dann die Schultern hängen ließ.
»Bring die beiden in unser größtes Zimmer«, befahl Kanabel.
Der junge Raukarii nickte und bedeutete, sie sollten ihm folgen. Während sie um die Ecke zu einer Holztreppe liefen, die sie auf knarrenden Stufen nach oben brachte, konnte Nomarac sich nicht zurückhalten.
»Ist Kanabel dein Vater?«
»Ist er«, murrte Jin.
»Das ist doch egal«, flüsterte Ronor fast im selben Moment seinem Bruder ins Ohr.
»Schlägt er dich?«, wollte Nomarac weiter wissen und ignorierte Ronor. Er wollte sich erkundigen, wo genau sie gestrandet waren.
»Das tut der Alte oft. Passt nur auf, dass er das bei euch nicht tut. Geht ihm besser aus dem Weg.«
Ronor zog am Umhang seines Bruders. »Ich glaube, wir gehen besser.«
Wieder ließ sich Nomarac nicht auf den Vorschlag seines jüngeren Zwillings ein. »Danke für den Rat. Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken von hier zu verschwinden.«
Als Antwort zuckte Jin nur die Schultern und Momente später öffnete er die Tür zum Zimmer, welches Ronor und Nomarac gemietet hatten.
»Wenn ihr den Raum verlasst, nehmt alles mit. Denn hier gibt es keine Schlösser«, erklärte Jin, ließ die Zwillinge eintreten und wandte sich dann zum Gehen. »Am besten esst ihr woanders«, fügte er noch hinzu. »Das Essen von meiner Mutter schmeckt scheußlich.« Dann verschwand er schlurfend und die Brüder blieben alleine zurück.
»Wir suchen uns etwas anderes«, beklagte sich Ronor.
»Das können wir machen, aber vorerst bleiben wir hier.«
Anschließend sahen sich die beiden um und schluckten merklich. Das Zimmer war klein. Es maß von Wand zu Wand höchstens drei Meter. An einigen Stellen der grauen Wände war Schimmel zu sehen. Ein kleines Fenster zur Straße war vollkommen verdreckt und ließ nur wenig Licht hinein. Die niedrige Decke und auch der Holzboden waren dreckig, und es roch nach Schweiß und anderen, unbeschreiblichen Gerüchen.
Angeekelt verzog Ronor das Gesicht. »Hier stinkt es.«
Nomarac stöhnte.
»Ist dir eigentlich schon etwas aufgefallen?« Ronor deutete mitten ins Zimmer und wirkte gleich noch verzweifelter.
Nomarac stöhnte nochmals, diesmal lauter. Es fehlten die Betten. Auf dem Boden lagen zwei löchrige Decken, mehr nicht.
»Wir müssen nur den Winter abwarten. Im Frühjahr reisen wir nach Zyrakar.« Mit diesen Worten wollte Nomarac versuchen seinen Bruder zu überzeugen, doch er klang selbst nicht zuversichtlich. Er nahm Ronor in die Arme und drückte ihn fest.
»Wir halten zusammen«, flüsterte ihm Ronor ins Ohr. »Wir werden das schon irgendwie schaffen. Alori hat uns das Gasthaus bestimmt nicht empfohlen, um uns zu ärgern.«
Das dachte auch Nomarac und er drückte ihn gleich noch ein wenig fester.
Kurz vor der Abenddämmerung saßen die Zwillinge in ihrem Zimmer auf den Decken und verschlangen hungrig einen halben Laib Brot und etwas Käse. Beides hatten sie auf dem Markt gekauft. Dazu tranken sie eine Flasche Rotwein, die sie sich geleistet hatten. Danach legten sie sich hin, kuschelten sich in ihre Wollumhänge und schliefen irgendwann ein.
Doch bereits am nächsten Morgen erreichten die ersten Vorboten des nahenden Unglücks die Brüder. Und in den folgenden Wochen mussten sie zähneknirschend mit ansehen, wie ihr Vorrat an Edelsteine täglich schwand. Kanabel forderte jede Woche pünktlich seine Bezahlung, aber auch ihr Essen und Trinken mussten sie sich kaufen. Obwohl sie anfingen, immer weniger zu essen, sich immer öfter eine Mahlzeit teilten, war mitten im Winter nicht
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