Pech und Schwefel (German Edition)
gewichen.
Ab und an überlegten sie, ob sie zu Endis Teptur zurückkehren sollten. Aber ihre Angst, er könnte sie bestrafen, möglicherweise für ihre Flucht sogar foltern, brachte sie immer wieder davon ab. Außerdem schämten sie sich gegenüber Alori, denn sie hatten versagt. Sie hatten ihr versprochen wiederzukommen, aber erst, wenn sie dem Oberhaupt Leven’raukas ihre wahre Identität offenbart hätten.
So wurden aus weiteren Wochen schließlich Monate. Und ehe die Zwillingsbrüder sich versahen, brach erneut der Winter an. Inzwischen schlugen sie sich mehr recht als schlecht als Tagelöhner durch, während ein verlassener Keller ihnen als dauerhafter Unterschlupf diente. Sie teilten ihr neues Zuhause zwar mit Spinnen und Mäusen, manchmal auch mit Ratten, aber es war immer noch besser, als auf der Straße zu schlafen.
Diesen Ort hatten sie durch Zufall gefunden. Er lag abseits der belebten Ecken des Armenviertels. Das heruntergekommene Haus wurde von einem älteren Ehepaar bewohnt, die kaum vor die Tür traten. Den Keller selbst erreichten die Brüder durch ein kleines, zerbrochenes Fenster, wo sie ungesehen von Nachbarn hinein- und hinausschlüpfen konnten. Heuballen dienten ihnen als Matratzen, alte und morsche Möbel als Vorratskammer für alles, was sie auf den Straßen gefunden, sogar gestohlen hatten, und auf dem Boden sammelten sich abgebrannte Kerzenstummel. Ein geklauter Feuerstein und Kerzen von einem Gasthaus gehörten ebenfalls dazu.
So verging ein weiteres Jahr und Ronor und Nomarac fiel es nicht einmal auf, dass sie bereits im nahenden Herbst neunzehn Jahre alt wurden.
An einem warmen Spätsommermorgen waren die jungen Raukarii auf dem Weg zur östlichen Stadtmauer, wo sie vor zehn Tagen feste Arbeit gefunden hatten. Sie arbeiteten für den Hufschmied Denril – Nomarac half dem Schmied, Ronor kümmerte sich im angrenzenden Pferdestall um die Tiere. Sie verdienten nicht viel, aber es reichte für anständige Mahlzeiten. Außerdem hatten sie schon zwei Edelsteine zur Seite gelegt. Mit ein bisschen Glück, konnten sie sich bald neue Kleidung leiste. Und das Glück hielt an. Der Schmied hatte Nomarac ein außergewöhnliches Angebot gemacht. Weil er sich bisher sehr geschickt anstellte und die Kraft aufwies, die benötigt wurde, überlegte er ihn als Lehrling einzustellen. Ronor wurde offiziell als Stallbursche beschäftigt. Ein besseres Angebot konnten sich die Zwillinge kaum vorstellen, und daher gab Nomarac alles, was er geben konnte. Sein Bruder bewies dabei ein äußerst gutes Geschick im Umgang mit Pferden.
So in ihre Arbeit vertieft, bemerkten die Brüder nicht, dass ihnen schon seit Tagen drei Raukarii nachstellten. Jeden Morgen saßen die Männer in einem gegenüberliegenden Wirtshaus vor der Tür, genossen die Sonne und tranken dabei ein Glas Weißwein.
»Ich sage es euch, das sind sie«, sprach ein athletisch gebauter Raukarii, dessen schulterlanges Haar auf die Uniform einer Stadtwache fiel. Über seinem rechten Auge stach deutlich eine waagerechte, tiefe Narbe hervor. Ein Langschwert steckte im Waffengürtel an der linken Hüfte. Zusätzlich trug er auf der anderen Seite eine leichte Armbrust. In seinem Stiefel hatte er eine Lederscheide versteckt, in der ein Messer steckte. Genau jenes Messer holte er hervor und begann nervös mit dem Elfenbeingriff zu spielen, während er immer wieder unauffällig zur Schmiede hinüberspähte.
»Woher willst du das wissen, Charan?«, fragte sein Kumpan Myrem.
Der Raukarii gab in seiner dunklen Lederhose, dem weißen Hemd und den braunen Lederstiefel ebenfalls ein stattliches Bild ab. Sein kurz geschorenes Haar glänzte im Sonnenlicht. Seufzend nippte er an dem Weinbecher.
»Weil ich es weiß«, antwortete Charan leicht angesäuert. »Oder zweifelt ihr an meinem Urteilsvermögen?« Er leerte seinen Becher in einem Zug, winkte der Magd zu, die draußen noch andere Gäste bediente, und bestellte sich neuen Wein.
»Wir zweifeln nicht an dir«, erklärte Cuphir, der Dritte im Bunde. »Wir fragen uns nur, ob dein Plan wirklich so gut ist.«
Cuphir hatte seine langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trug wie sein Kumpan Myrem eine Lederhose, ein helles Hemd und Stiefel. Beide schienen offensichtlich keine Waffen bei sich zu haben, doch der Eindruck täuschte. Sie trugen ihre Dolche und Messer gut versteckt an ihren Körpern, stets griffbereit.
Charan knurrte und riss der Magd, die ihm eben den Weinbecher brachte, diesen aus
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