Pechvogel: Roman (German Edition)
und nippe an meinem Tee. »Oder Sie streifen mir einen Sack über den Kopf.«
»Nicht ganz«, erwidert Tommy und stellt seine Tasse ab.
Ich öffne den Mund, um zu antworten, doch es kommt nur »Blllbb« heraus.
Gleich darauf rutsche ich vom Stuhl auf den Boden und verwandle mich in eine Nick-Monday-Pfütze. Tommy nähert sich der Pfütze und beugt sich vor.
»Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit dabei, Ihre Meinung zu ändern, Mr. Monday«, meint er, während seine Stimme immer dumpfer klingt und sich allmählich zu entfernen scheint. »Sonst kann es sein, dass ich beim nächsten Mal ein deutlich schlechterer Gastgeber bin.«
Kapitel 11
I m September 1960 hatte Donald Campbell während einer Geschwindigkeitstestfahrt auf den Bonneville Salt Flats in der Großen Salzwüste in Utah einen Unfall. Bei rund 550 Stundenkilometern überschlug sich sein von einer Gasturbine angetriebenes Fahrzeug mehrfach und erlitt einen Totalschaden, doch Donald Campbell kam mit einem Schädelbruch davon. Sieben Jahre später hatte er nicht so viel Glück und starb bei dem Versuch, einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf dem Wasser aufzustellen.
Als ich aufwache, fühle ich mich wie Donald Campbell. Die 1960er-Version. Nicht weil ich so viel Glück gehabt und überlebt habe, sondern weil mein Schädel sich anfühlt, als wäre er in mehrere Teile zersprungen.
Ich bin in einer Gasse. Wo genau, weiß ich nicht. Der Typ neben mir stinkt nach Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, liegt bewusstlos in seinem eigenen Urin und lässt mich vermuten, dass ich mich irgendwo im Ausgehviertel Tenderloin befinde.
Auf der Wand vor mir steht geschrieben:
Teuflische Versuchungen lauern überall.
Ich brauche Kaffee.
Aber was ich wirklich brauche, ist Glück: Ich muss dringend etwas Glück wildern, und es ist ganz egal, welche Qualität es hat; meinetwegen kann es auch verdünnt sein. Aber ich brauche etwas, das mir gegen die Kopfschmerzen hilft – und dabei, herauszufinden, wie ich aus dem ganzen Schlamassel mit Barry Manilow und Tommy Wong wieder herauskomme. Ich habe keine Ahnung, wie ich Barry glücklich machen und das gestohlene Pech von Tommy zurückbekommen soll. Es sei denn, ich nehme Tommys Angebot an und arbeite für ihn. Doch um ehrlich zu sein: Das war eher eine Drohung als ein Angebot.
Das ist allerdings vermutlich eine Frage der Perspektive …
Eins steht jedenfalls fest: Was auch immer ich tue, ich sollte es bald tun. Aber zuerst brauche ich etwas Koffein und ein wenig Glück.
Ich könnte mir eine Flasche Mittleres aus meinem Apartment schnappen – gesetzt den Fall, weder die Regierungsleute noch Tommy Wongs Schläger haben es durchwühlt und meine Vorräte mitgenommen. Was mich in Anbetracht des bisherigen Tagesverlaufs auch nicht mehr überraschen würde. Aber Glück zu konsumieren oder es zu stehlen sind ganz unterschiedliche Dinge mit ganz unterschiedlichen Auswirkungen. Das ist, als würde man Bier mit LSD vergleichen. Oder Masturbation mit Tantra-Sex. Das eine verschafft einem persönliche Befriedigung, das andere durchdringt das gesamte Wesen.
Und in dem Moment wird mir klar, dass es weitaus schwieriger sein könnte, dieses Geschäft aufzugeben, als ich dachte.
Ich verlasse die Gasse, erreiche die Polk Street und schlurfe ein paar Blocks weiter zum Peet’s neben Max’s Opera Café, wo ich mir einen großen Mokka bestelle und mir eine blonde Bedienung mit Pagenschnitt und Nasenring ihre Telefonnummer zuschiebt, weil sie Typen mit einem derart verknitterten Look einfach sexy findet. Ich bringe es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich gerade erst völlig zugedröhnt in einer Gasse aufgewacht bin. Also stecke ich ihre Nummer ein, gehe zurück zur Polk Street und hole mir bei Bob’s Doughnuts einen Apfelkrapfen.
Nicht so sehr, weil ich großen Hunger hätte. Vielmehr hilft mir die Kombination aus Zucker und Koffein, Glück in eine vermarktbare Form zu bringen. Andere behelfen sich mit Zucker und Alkohol. Ich weiß zwar nicht, warum, weil ich in Chemie nie über eine Drei hinausgekommen bin, aber das funktioniert schon seit Generationen so. Meine Uroma hat Kandis mit purem Wodka runtergespült, Uropa schwor auf Donuts mit Puderzucker und Budweiser. Bei mir sind es Cappuccinos oder Mokka und Apfelkrapfen. Von Bier werde ich nur müde.
Außerdem würde ich Budweiser nicht einmal dann trinken, wenn mein Leben davon abhinge.
Während ich meinen Mokka trinke, schlendere ich die Polk Street entlang. Ich halte nach
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