Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. G. Browne
Vom Netzwerk:
restlichen Tee ein und ruft dann nach einer neuen Kanne. Dieses Mal betritt nicht Mei mit einer dampfenden Kanne den Raum, sondern eine attraktive Asiatin mit rotem Kleid und roten Pumps. Die Asiatin aus Barry Manilows Limousine.
    »Ich schätze, Sie haben S’iu Lei bereits getroffen«, meint Tommy.
    Sie kommt zu uns herüber und stellt die Teekanne auf den Tisch. »Es freut mich, Sie wiederzusehen, Mr. Monday.«
    »Schönes Kleid«, sage ich. »Wo verstecken Sie denn Ihre Waffe?«
    Sie lächelt und schenkt Tommy eine frische Tasse Tee ein, der in diesem Augenblick seine restlichen Spielsteine auf den Tisch legt, das Spiel gewinnt und die anderen drei Männer mit deutlich erleichterten Brieftaschen des Raumes verweist.
    Ich muss dringend lernen, wie man dieses Spiel spielt.
    »Ich achte darauf, was in meiner Stadt geschieht«, erzählt Tommy. »Wenn also die weiße Weste des Bürgermeisters einen Fleck bekommt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ich den Verantwortlichen finde. Einen Mann, dessen Talente ich gut gebrauchen kann.«
    Langsam dämmert mir, dass es keine gute Idee war, ausgerechnet Gordon Knights Glück zu stehlen.
    »Allerdings war ich enttäuscht, als ich von meinen Mitarbeitern erfuhr, dass Sie mein Angebot einer Anstellung abgelehnt haben«, fährt Tommy fort.
    » Abgelehnt klingt so hart.« Ich trinke den Rest meines Tees und reiche S’iu Lei meine leere Tasse. »Ich würde es eher als einen Ausdruck meines Rechts auf freie Meinungsäußerung und Unabhängigkeit bezeichnen.«
    »Erlaubt Ihre Unabhängigkeit Ihnen Urlaube in Europa oder auf Tahiti? Oder leben Sie in einem Penthouse in Pacific Heights?«
    »Ist alles Teil meines Fünf-Jahres-Plans.«
    »Ich kann dafür sorgen, dass Sie all das sofort bekommen«, sagt Tommy und streicht mit einer Hand über S’iu Leis Rücken, während diese ihm erneut die Tasse füllt. »Ganz ohne Fünf-Jahres-Plan. Wie klingt das für Sie?«
    »Rot steht mir nicht.«
    Tommy lacht.
    »Und außerdem«, füge ich hinzu, »haben Sie meines Wissens doch schon andere Wilderer auf der Gehaltsliste.«
    »Gerüchte«, sagt Tommy und winkt ab.
    S’iu Lei stellt die Kanne neben meine Tasse, beugt sich vor und flüstert Tommy etwas zu, der daraufhin nickt.
    »Bis zum nächsten Mal«, verabschiedet sie sich mit einem Zwinkern und einem Lächeln, ehe sie sich umdreht und von dannen schlendert – wobei jede ihrer in Rot eingehüllten Kurven ein Feuerwerk der Leidenschaft verheißt.
    »Ich zahle Ihnen fünfundzwanzig Prozent mehr, als Sie auf dem freien Markt erhalten würden«, sagt Tommy und nickt S’iu Lei zu, als sie den Raum verlässt. »Plus … ein paar Extras.«
    Sein Angebot ist verlockend, ohne Frage. Aber wie ich schon sagte: Rot steht mir nicht. Und abgesehen davon habe ich mir geschworen, mich niemals anstellen zu lassen.
    »Nein danke«, gebe ich zurück. »Ich ziehe den Weg des Freiberuflers vor. Reduziert unnötige Zwischenstufen in der Befehlskette.«
    Allerdings frage ich mich, ob ich bessere Chancen gehabt hätte, Tommy das Pech zu liefern, wenn ich sein Angebot angenommen hätte. Das Problem dabei ist: Ich habe keine Ahnung, was ich bei der ganzen Sache von S’iu Lei halten soll. Auf welcher Seite sie steht. Und außerdem habe ich das Pech ja gar nicht mehr – aber das ist ein anderes Problem.
    »Ich respektiere Menschen, die zu ihren Überzeugungen stehen«, sagt Tommy und reicht mir eine neue Tasse Tee. »Was natürlich nicht bedeutet, dass ich Sie nun einfach so hier herausspazieren lassen kann.«
    Verdammt. Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Vorausschauendes Handeln war noch nie mein Ding. Und deshalb bin ich auch nicht auf die Idee gekommen, dass ich in diesem heruntergekommenen Zimmer hier tatsächlich sterben könnte. Bis jetzt.
    Fast höre ich die Stimme meines Vaters: Auf die eine oder andere Art wirst du eines Tages für deinen Lebenswandel bezahlen, mein Junge.
    Tommy scheint meine Gedanken zu lesen. »Kein Grund zur Sorge«, bemerkt er und greift nach seiner Tasse, ohne von dem Tee zu trinken. »Ich habe nicht vor, mich Ihrer zu entledigen. Einen Glückswilderer zu töten ist geschäftlich betrachtet kein kluger Schachzug. Und zudem habe ich das Gefühl, dass Sie Ihre Meinung doch noch ändern werden.«
    »Machen Sie sich keine allzu großen Hoffnungen. Aber trotzdem danke, dass Sie mich nicht töten.«
    Tommy lächelt mich über den Rand seiner Tasse hinweg an.
    »Ich schätze, Sie werden mir die Augen verbinden müssen«, sage ich

Weitere Kostenlose Bücher