Pechvogel: Roman (German Edition)
stelle, wenn ich noch länger hierbleibe. Und so atme ich noch einmal tief den Duft von Geißblatt, Öl und Kaffee ein, drehe mich um und gehe zum Lincoln zurück. Ich spüre das Pflaster durch die Sohlen meiner Schuhe und das Blut, das durch meine Adern rauscht.
Auf das lauter werdende Geräusch von Reifen auf dem Asphalt achte ich nicht. Bis es zu spät ist.
Kapitel 25
E ine schwarze Limousine ohne Nummernschild und mit getönten Scheiben hält mit quietschenden Bremsen vor mir. Die Hintertüren öffnen sich, und zwei Männer, die aussehen wie Jake und Elwood Blues (einschließlich Sonnenbrillen und Krawatten, aber ohne Hüte), steigen aus. Fast erwarte ich, dass sie jetzt Soul Man oder Shotgun Blues singen, aber sie packen mich nur kommentarlos und ohne viel Federlesens bei den Armen und eskortieren mich zur Rückbank der Limousine. Als kurz darauf die Autotür zufällt, höre ich das Quietschen von Reifen und sehe gerade noch, wie Alex mit dem Lincoln verschwindet.
Das war es dann mit seinem Trinkgeld.
Sekunden später sitzt Elwood Blues mit dem Rücken zur Windschutzscheibe neben mir auf der vorderen Rückbank der Limousine. Vor mir sitzt Barry Manilow.
»Was machen Sie hier?«, fragt Barry.
»Meinen Sie das in einem existenzialistischen Sinne?«, frage ich, während die Limousine sich von Donna Bakers Haus entfernt. »Warum wir hier sind? Die ganze Philosophie-des-Kosmos-Sache? Oder hatten Sie etwas Spezifischeres im Sinn?«
»Ich will wissen, warum Sie hier sind. An diesem Haus. Wildern Sie Glück?«
»Tja. Ich bin ein Glückswilderer. Mich zu fragen, warum ich an einem bestimmten Ort Glück wildere, ist in etwa so, als fragten Sie eine Prostituierte, warum sie im Bordell Sex hat. Es ist einfach … Moment mal. Die Analogie stimmt nicht. Warten Sie, ich überlege mir schnell eine bessere.«
»Ich habe keinerlei Interesse an Ihren Analogien«, gibt Barry zurück. »Ich möchte lediglich, dass Sie meine Frage beantworten.«
»Und ich dachte, genau das hätte ich gerade getan.«
Er seufzt entnervt. »Also noch mal: Was zum Teufel machen Sie hier?«
»Das ist eine lange Geschichte.« Ich lasse meinen Kopf gegen das weiche Leder der überaus bequemen Sitzbank sinken und schließe genussvoll die Augen. »Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Tag hinter mir liegt.«
Der Innenraum des Wagens riecht nach Leder, Schweiß und anderen Körperausdünstungen. Irgendjemand hatte eine Menge Knoblauch zum Mittagessen. Oder hat sich auf ein Date mit einem Vampir vorbereitet.
»Wie Ihr Tag war, interessiert mich auch nicht«, erwidert Barry. »Ich will nur wissen, ob Sie Tommy Wong das Pech geliefert haben.«
»Irgendwie schon«, sage ich, die Augen noch immer geschlossen.
»Irgendwie schon? Was zum Teufel meinen Sie damit?«
Ich wünschte, er würde die Klappe halten. Oder wenigstens leiser sprechen. Seine Stimme dröhnt im Innern des Autos wie ein Kanonenschlag.
Ich spüre die Vibrationen des Motors, die einem Pulsschlag gleich durch die Karosserie der Limousine rasen. Höre das Summen der Reifen auf der Straße, das wie ein Schwarm wütender Bienen klingt.
»Er hat mich irgendwie unter Drogen gesetzt und mir das Pech abgenommen«, erkläre ich und öffne die Augen. »Also habe ich es ihm auch theoretisch geliefert. Es ist eigentlich alles nur eine Frage der Semantik. Können wir die Sache jetzt nicht auf sich beruhen lassen?«
»Gott, verdammt!« Barry schaut aus dem Fenster, kräuselt die Lippen, sein Blick verfinstert sich und wandert zurück zu mir. »So sollte die Sache nicht laufen. Sie haben es geschafft, das Ganze in ein komplettes Desaster zu verwandeln.«
»Sind wir jetzt bei den Schuldzuweisungen angekommen?«
Er starrt mich weiterhin an und scheint nicht im Geringsten amüsiert.
Kurz erwäge ich, ihm seinen Hit Can’t Smile Without You vorzuträllern, um ihn aufzuheitern, aber die Melodie fällt mir nicht mehr ein. Also gehe ich im Kopf alle Barry-Manilow-Lieder durch, die ich kenne, und suche dabei nach einem Song, der das Eis brechen kann. Da fällt mir auf, dass Mandy dazugehört, was ich irgendwie witzig finde. Allerdings vermute ich, dass weder meine Schwester noch Barry die Komik der Situation zu schätzen wissen würden.
»Wo haben Sie denn den Schlitten her?«, fragt er.
»Welchen Schlitten?«
»Den, mit dem Sie erst zu Ihrer Schwester und dann zu einem Haus in Russian Hill gefahren sind und der gerade eben davongebraust ist, als säße der Rennfahrer Mario Andretti
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