Pechvogel: Roman (German Edition)
kontaminiert. Das Glück fanatischer christlicher Konvertiten ist durch intolerante Ironie verunreinigt. Und wenn du dein Glück bei einem arbeitenden Nichtfleischesser zu wildern versuchst, hast du am Ende vielleicht so etwas wie Alex, das vegane Weichei.
Und das Letzte, wonach mir der Sinn steht, ist Glück von einem verklemmten, konservativen Christen mit Eiweißmangel.
Leider habe ich weder die Zeit noch irgendeine Möglichkeit, mehr über Donna Baker herauszufinden, und so hoffe ich einfach, dass sie eine gemäßigte Liberale ist, die Yoga macht und gelegentlich Bacon isst.
Trotz alldem muss ich gestehen, dass ich aufgeregt bin und sich langsam so etwas wie Vorfreude einstellt. Es ist lange her, dass ich weiches Glück höchster Güte gewildert habe. Das ist so, als ob man drei Jahre keinen Sex gehabt hat und dann jemand ganz Besonderen trifft und hofft, dass man noch weiß, was man eigentlich tun soll, wie man es tun soll und in welcher Geschwindigkeit.
Eine vorzeitige Glücksübernahme ist in etwa so schlecht für das eigene Selbstbewusstsein wie ein vorzeitiger Samenerguss.
Wir parken gegenüber von Donna Bakers Haus. Alex sitzt vorn und starrt abwechselnd mich im Rückspiegel und die Ausgabe der Vegetarian Times auf seinen Knien an, während ich lächelnd und mit einem langgezogenen »Mmmh« meinen Cappuccino austrinke und den Rest meines Apfelkrapfens esse.
»Tiermörder«, sagt er.
»Weichei.«
Ich steige aus dem Auto, überquere die Straße und halte kurz unter einer Ulme inne, um meine Gedanken zu sammeln und ein Pokerface aufzusetzen. Mit der Glückswilderei ist es ähnlich wie mit Vorstellungsgesprächen: Wenn du es schon beim ersten Eindruck vermasselst, kommst du vermutlich nicht ans Ziel.
Großvater hat mir das immer gesagt. Er meinte, dass das Stehlen von Glück wie jedes andere Handwerk sei. Je mehr du übst, desto besser wirst du. Glück stehlen zu können, so seine Worte, ist eine Gabe, die man hegen und pflegen muss. Und wer die Dinge einfach nur laufen lässt, dem laufen sie irgendwann aus dem Ruder.
Großvater war ein regelrechter Quell nützlicher Lebensweisheiten.
Wann immer er die Zeit dazu fand, lehrte er mich Techniken und Herangehensweisen und alles Mögliche andere Nötige und Unnötige über das Stehlen von Glück:
Tu immer so, als ob du das Sagen hast.
Behalte einen klaren Kopf und die Augen offen.
Und wildere niemals unter dem Einfluss einer Frau.
Wie nicht anders zu erwarten versuchte mein Vater, unseren Großvater möglichst von Mandy und mir fernzuhalten. Nach dem Tod meiner Mutter schränkte er Großvaters Besuche weitestgehend ein. Vermutlich hoffte er, uns so vor einem Berufseinstieg in die Glückswilderei zu bewahren. Aber auch wenn ich meinen Großvater nur wenige Dutzend Mal sah und erst zwölf war, als er starb, erinnere ich mich immer noch an jeden seiner Ratschläge.
Was jedoch nicht heißt, dass ich mich auch immer daran halte.
Ein paar tiefe Atemzüge und ein schnelles Zurechtrücken meiner Krawatte, dann gehe ich zur Vordertür und drücke auf die Klingel. Ich hoffe, dass Donna Baker nicht verheiratet ist und auch keine Kinder hat. Oder sie zumindest allein zu Hause ist. Das Letzte, nach dem mir der Sinn steht, ist eine weitere Begegnung wie die mit Jimmy Saltzman. Außerdem sind Eltern vorsichtiger und misstrauischer im Umgang mit Fremden, wenn ihre Kinder in der Nähe sind. Und falls ihr Ehemann an die Tür kommt, werde ich die Sache abbrechen müssen – was zugleich bedeutet, dass ich nicht noch einmal wiederkommen kann.
Kurz verdirbt mir dieser Gedanke meine mir selbst zurechtgelegte gute Laune. Aber dann kommt Donna allein an die Tür, und meine Zuversicht auf einen leichten Diebstahl kehrt zurück.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragt sie.
»Guten Tag«, sage ich und strecke die Hand aus. »Ich bin William Kennedy und baue gerade das örtliche Nachbarschaftswacht-Programm auf.«
Die Menschen neigen dazu, jemandem, der etwas für die Sicherheit der Nachbarschaft tun will, mehr zu vertrauen als Handelsvertretern, Menschen mit politischer Agenda oder religiösen Mittlern. Und William ist ein Name, dem jeder zu vertrauen scheint. Er klingt nicht bedrohlich und hat so etwas Formelles an sich, das die Menschen beruhigt. Und Kennedy erweckt noch fünfzig Jahre nach dem Ende von Camelot eine starke Präsidentenassoziation.
Wenn man Glück an der Haustür stiehlt, ist das Vertrauen des Opfers entscheidend. Ein zufällig gewählter Name oder
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