Pechvogel: Roman (German Edition)
Tunnel folgen, klingelt mein Handy.
»Nick Monday«, melde ich mich.
»Was zum Teufel ist mit Ihnen passiert?«, fragt Tommy.
»Da müssen Sie sich schon etwas präziser ausdrücken, Tommy. Heute ist mal wieder einer dieser Tage.«
»Ihr Fahrer hat gerade angerufen. Meinte, dass ein paar Kerle Sie in Pacific Heights geschnappt hätten.«
»Der Fahrer ist Veganer. Und ein Weichei. Glauben Sie ihm kein Wort.«
»Ich glaube, wem ich glauben möchte«, entgegnet Tommy. »Wo ist die Ware?«
»An einem sicheren Ort«, lüge ich ihn an. Außer Donna Baker habe ich noch bei keinem der Opfer auf der Liste gewildert.
»Haben Sie es auf der Bank hinterlegt?«
»Das steht auf meiner To-do-Liste.«
»Warum haben Sie es noch nicht hinterlegt?«
Was, wo, warum? Diese Mafiabosse stellen nichts als Fragen. Und nie kriegt man mal ein Wie geht es?, Wie läuft es bei den Frauen? oder ein Hat Ihnen der Präsentkorb gefallen? zu hören.
Dabei kommt man ziemlich weit, wenn man nur ein wenig Anerkennung zeigt.
»Ich will erst die Liste abarbeiten«, antworte ich.
»Sie haben die Liste noch gar nicht abgearbeitet?«
»Ich kümmere mich darum«, sage ich, als das Taxi in den Broadway-Tunnel fährt. »Übrigens: Können Sie mir die Liste noch einmal per E-Mail schicken?«
»Noch einmal? Warum brauchen Sie die Liste noch einmal?«
»Nur zur Sicherheit.«
Ein kurzes Schweigen entsteht, in dem Tommy am anderen Ende der Leitung vermutlich dämmert, dass ich die Liste nicht mehr habe. Oder der Empfang ist unterbrochen.
»Sie haben die Liste verloren?«
»Sie liegt im Auto des Weicheis«, gebe ich zurück. Was die Wahrheit ist – allerdings ist es eben ein anderes Auto und ein anderes Weichei.
»Wo sind Sie?«
»In einem Taxi. Auf dem Weg nach North Beach.«
»Mir gefällt das nicht, Monday«, meint Tommy. »Sie hinterlegen es lieber, bevor die Bank schließt, wenn Sie nicht in meiner Hundehütte enden wollen.«
Und mit Hundehütte meint er Leichensack.
»Seit wann habe ich denn einen Abgabetermin?«
»Seit gerade eben.«
Dann legt er auf.
Es ist bereits fünf. Mir bleibt nicht genug Zeit, um Donna Bakers Glück ordentlich aus meinem Körper zu extrahieren und bis sechs bei der Wells-Fargo-Bank in der Market Street zu sein. Die einzige Möglichkeit, die mir bleibt, ist, Tommy das Glück aus meinem Kühlschrank zu hinterlegen und zu hoffen, dass er den Unterschied nicht bemerkt.
Vor uns verlässt das Roller-Mädchen den Broadway-Tunnel und biegt in die Powell Street ein. Ich lege noch einen Hunderter auf den Beifahrersitz, und der Taxifahrer schafft es über die Ampel.
Mein Handy klingelt wieder.
»Nick Monday.«
»Mr. Monday, hier spricht Tuesday Knight.«
»Welche von beiden?«
Nach einer kurzen Pause sagt sie: »Ich bin nicht sicher, was das heißen soll.«
Es ist die erste Tuesday. Die falsche mit den echten Brüsten. Zumindest sahen sie echt aus. Aber ich habe auch kein Problem mit Brustimplantaten. Gib mir irgendwas mit einer Milchdrüse, und ich bin zufrieden.
»Egal«, erwidere ich. »Ich habe nur Schwierigkeiten, die Wochentage auseinanderzuhalten.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Ist schon in Ordnung. Mir geht es genauso.«
Das Roller-Mädchen biegt einen Block vor uns nach rechts ab. Zehn Sekunden später hält das Taxi am Stoppschild, und ich beobachte, wie das Roller-Mädchen vor einem Bestattungsunternehmen in der Green Street vom Roller steigt.
Selbst der Symbolismus ist gegen mich.
»Was kann ich für Sie tun, Miss Knight?«
»Ich möchte mit Ihnen über meinen Vater sprechen.«
Das wollen wir beide, denke ich. Stattdessen sage ich: »Ich bin ganz Ohr.«
In einiger Entfernung von uns schließt das Roller-Mädchen gerade seinen Helm ein und fährt sich durch das plattgedrückte Haar.
»Ich hatte gehofft, dass wir uns treffen können«, meint Tuesday.
»Gern. Mein Terminkalender steht Ihnen zu Diensten.«
Ich weiß nicht, warum ich das sage. Ich habe keine Zeit, mich mit der Frau zu treffen, die anscheinend nur vorgibt, Tuesday Knight zu sein. Ich verfolge das Roller-Mädchen, muss Pech abholen und Glück abliefern. Ganz zu schweigen davon, dass ich dringend das Glück aus meinem Körper extrahieren muss, um nicht abhängig davon zu werden. Oder es an einem Urinal auszupissen.
Ich spüre schon jetzt, wie die zwei Cappuccinos, die ich seit meiner letzten Glücksextraktion getrunken habe, meine Blase langsam zum Nachgeben zwingen.
»Warum treffen wir uns nicht in einer
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